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„Feindliche Übernahme“: Eine Stadt kämpft um ihr Museum

„Feindliche Übernahme“: Eine Stadt kämpft um ihr Museum

museum ur- und frühgeschichte weimar
Foto: imago/Thomas Müller
  • Landesregierung erwägt Umzug des Weimarer Museums für Ur- und Frühgeschichte
  • Ausstellung könnte auf Erfurter Petersberg ziehen
  • Bürgerinitiative und Parteien in Weimar kämpfen für den Erhalt des Museums

In Weimar gibt es viele Museen. Doch keines ist wohl so stark in der Weimarer Gesellschaft verankert wie das Museum für Ur- und Frühgeschichte in der Humboldtstraße. 2018 feiert es sein 130-jähriges Jubiläum in der Goethestadt. Doch ausgerechnet diesem Museum droht nun eine folgenschwere Veränderung: Die Landesregierung denkt über einen Umzug der Ausstellung nach Erfurt nach.

„Feindliche Übernahme“ durch Erfurt geplant?

Bereits seit über einem Jahr kursieren Pläne, nach denen das Museum im Rahmen der Bundesgartenausstellung auf den Erfurter Petersberg umziehen will. Von einer „feindlichen Übernahme“ spricht gar die Bürgerinitiative „Unser Museum bleibt“, die vor gut eineinhalb Wochen in Weimar gegründet wurde. „Erst wollte man das Weimarer Theater nach Erfurt holen, und nun das Museum“, sagt etwa Björn Waag, der sich in der Initiative engagiert.

Bürgerinitiative will Druck aufbauen

Noch ist allerdings nichts beschlossen. Im Oktober will die Landesregierung ein Museumskonzept vorlegen, in dem Erfurt als neue Standortwahl für das urgeschichtliche Museum favorisiert wird, vermuten einige. „Wir wollen daher jetzt vorher massiv Druck aufbauen“, so Pierre C. Deason-Tomory, SPD-Stadtrat und Mitgründer der Initiative. Alle Weimarer Parteien würden das Anliegen unterstützen, so Deason. Schließlich gäbe es eine besonders enge Verbindung des Museums zur Klassikerstadt.

Museum zeigt vor allem Weimarer Exponate

Fragt man Weimarer Bürger nach diesem Museum, wird man feststellen, dass eine Mehrheit von ihnen schon einmal in der Ausstellung war. Schließlich besuchen nahezu alle Grundschulklassen aus der Umgebung das Museum, in dem auch der „Ehringsdorfer Urmensch“ ausgestellt ist, der in einem Ortsteil Weimars gefunden wurde. Auch der Großteil der restlichen Ausstellung ist von Weimarer Bürgern aufgebaut und zusammengetragen worden, bevor die Sammlung 1949 verstaatlicht wurde und seitdem Landesmuseum ist.

„Schmerzlicher Verlust für Weimar“

Die Stadt Weimar hat daher keinen Einfluss darauf, was mit dem Museum passiert. Auf offizieller Ebene hat die Stadtverwaltung noch nicht einmal Kenntnis von den Umzugs-Plänen. „Das Museum ist Teil des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, somit eine Landeseinrichtung. Dennoch wäre eine Einbeziehung der Stadt in mögliche zukünftige Entscheidungen wünschenswert“, so Stadtsprecher Ralf Finke auf Nachfrage von Thüringen24. „Ein Umzug des Museums würde einen schmerzlichen Verlust für die Weimarer Museumslandschaft bedeuten, historische Wurzeln würden gekappt.“

Landesregierung will Museum weiterentwickeln

Die Landesregierung sieht das etwas anders. Die Dauerausstellung des Museum bedürfe dringend einer Überarbeitung, schließlich basiere die Ausstellung auf einer Konzeption aus dem Kulturhauptstadtjahr 1999, so Maria-Theresa Meißner, Sprecherin der Staatskanzlei für Kultur und Medien, gegenüber Thüringen24. Von den mehr als 300.000 Objekten der Sammlung seien viele nicht zugänglich, obwohl sie für die Landesgeschichte bedeutend und herausragend seien.

Das Land prüfe daher eine Weiterentwicklung des Museums zu einem archäologischen Landesmuseum, das die wichtigsten Aspekte der Landesgeschichte für alle Bürgerinnen und Bürger in Thüringen vermittelt. „So ein Museum kann sich als „Fenster zu Thüringen“ hin öffnen und auf andere Museen in Thüringen verweisen“, so Meißner. Da hierfür die Flächen erweitert werden müssen, müsse auch ein Standortwechsel in Erwägung gezogen werden. Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen, die werde es erst 2019 nach einer Machbarkeitsstudie geben. „Daraus ergibt sich, dass bis zur BUGA keine Ertüchtigung zu einem Museumsstandort umgesetzt werden kann“, so Meißner.

Kleine Räume mit kleinen Fenstern

Doch gerade dieses zusätzliche Platzangebot stellt für die Bürgerinitiative kein Argument dar: Die vorgesehenen Räume in der Defensionskaserne auf dem Petersberg seien klein, hätten keine oder nur kleine Fenster und wären damit für eine moderne Ausstellung ungeeignet, so Stadtrat und Initiativenmitglied Thomas Hartung (SPD). Mehr Raum könne auch am aktuellen Standort in der Humboldtstraße geschaffen werden, in dem etwa Teile des Servicebereiches, also der Labore und Werkstätten, aus dem Gebäude ausgelagert werden.

Wolfram Wiese, Kreiselternsprecher der Weimarer Grundschulen, plädiert außerdem für dezentrale Museumsangebote. Erfurt besäße im Stadtmuseum bereits eine archäologische Sammlung, Weimar solle seine eigene als beliebten außerschulischen Lernort für Klassen aus der Umgebung behalten.

Umzug nach Erfurt als politische Entscheidung?

Vor allem vermuten die Gegner der Pläne keine fachliche, sondern eine politische Entscheidung hinter den Plänen. Und gegen diese wollen sie kämpfen. Online und in der Stadt will die Initiative mit Unterstützung von lokalen Läden, Ärzten und Hotels Unterschriften sammeln, Infostände betreiben und eine Podiumsdiskussion veranstalten. Auch von einer Menschenkette ist die Rede. Auch bei den Erfurter Bürgern wollen die Weimarer für ihr Anliegen und ihre Petition werben. Bleibt abzuwarten, was die Einwohner der Landeshauptstadt davon halten.