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Streit um Moschee in Erfurt: Jetzt spricht der Vorstand der Ahmadiyya-Gemeinde

Streit um Moschee in Erfurt: Jetzt spricht der Vorstand der Ahmadiyya-Gemeinde

Abdullah Uwe Wagishauser Ahmadiyya-Gemeinde
Der Bundesvorstand der Ahmadiyya-Gemeinde, Uwe Abdullah Wagishauser, stellt sich in Erfurt Fragen rund um die geplante Moschee in Erfurt-Marbach. Foto: Ulrike Fröbel

Der geplante Bau einer Moschee durch die Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt-Marbach hat in dieser Woche wieder hohe Wellen in der Landeshauptstadt geschlagen. In den sozialen Netzwerken wird heiß diskutiert und auf dem Fischmarkt gingen Gegner der Moscheepläne auf die Straße. Thüringen24 hat mit dem Bundesvorsitzenden der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser, über die Ängste und Kritik der Menschen gesprochen und nach Fakten zur geplanten Moschee gefragt.

Kommen die Proteste gegen den Moscheebau für Sie überraschend?

Nein, das wird jetzt noch eine Weile so weitergehen, bis die Moschee gebaut ist. Dann wird kurze Zeit später Ruhe einkehren. Das erleben wir jedes Mal so, zum Beispiel auch in Pankow. Wenn das Gebäude dann da ist und die ersten Veranstaltungen stattgefunden haben, ebbt das Interesse ab.

Eine Befürchtung, die bei Erfurtern immer wieder auftritt, ist, dass die Moschee nicht ins Stadtbild passt. Wie groß wird das Gebäude sein?

Etwa so groß wie ein Zweifamilienhaus. Es ist ein überschaubares Gebäude, das jetzt eingeschossig geplant wird. Die Maße der Grundfläche betragen etwa 26 mal 25 Meter.

Wie hoch wird das Minarett sein?

Acht Meter. Die Höhe des restlichen Gebäudes beträgt etwa vier Meter. Das Minarett ist nur ein Zierminarett, einfach damit das Gebäude als Moschee erkennbar ist. Man sollte schon wissen, wer an dem Ort betet, also um was für ein Gotteshaus es sich handelt – ob Tempel, Kirche, Synagoge oder eben eine Moschee.

Laute Rufe durch einen Muezzin wird es also nicht geben?

Wir haben jetzt 50 Moscheen in Deutschland gebaut und in keiner Moschee haben wir einen Muezzin, der laut ruft. Das würde dem entgegenlaufen, was wir uns als nachbarschaftliche Beziehung vorstellen. Wir wollen nicht, dass uns die Menschen jeden Morgen beschimpfen, wenn sie durch den Muezzin geweckt werden. Wir haben zwar einen Muezzin und einen Gebetsruf innerhalb der Moschee, aber das ist nach außen hin nicht zu hören.

Wären Sie mit der Moschee in Erfurt gerne näher ins Stadtzentrum gegangen?

Ich glaube, dass es im Stadtzentrum noch mehr Ärger gegeben hätte. Natürlich ist man immer gerne da, wo die Menschen wohnen. Eine Moschee sollte fußläufig erreichbar sein, damit man so oft wie möglich zum Gebet gehen kann. Das ist aber nicht überall möglich.

Wie groß ist die Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt?

Wir haben hier 70 Mitglieder, darunter viele Studenten. Wenn wir irgendwo eine Moschee bauen, bleiben die Leute auch eher hier. Viele unserer Gemeindemitglieder sind bisher weiter gezogen in größere Städte, wo es schon Moscheen und stärkere Gemeinden gibt. Denn die Familien suchen ja auch Anschluss.

Unter den Moschee-Gegnern in Erfurt wird immer wieder kritisiert, dass Steuergelder in den Bau fließen würden. Wie soll das Projekt tatsächlich finanziert werden?

Wir bekommen keine Gelder aus dem Ausland und erst recht keine deutschen Steuergelder. Wir zahlen unsere Steuern wie jeder andere auch. Aber die Moscheen werden aus Spendenmitteln finanziert, die die 45.000 Mitglieder, die in Deutschland leben, aufbringen.

Was unterscheidet die Ahmadiyya-Gemeinde von anderen muslimischen Gemeinden?

Wir sind die einzige Gemeinde, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat. Ein Grund, warum wir diesen Status bekommen haben, ist unsere Mitgliederstruktur. Wir sind eine rein religiöse Gemeinde und nicht ethnisch, national oder gar politisch ausgerichtet. Wir haben eine klare Theologie, die in allen Ahmadiyya-Gemeinden gleich ist. Wir pflegen unser Wissen über den Islam und veröffentlichen auch viel eigene Literatur.

Wie steht ihrer Gemeinde zu westlichen Werten, wie etwa der Religionsfreiheit?

Im heiligen Koran gibt es viele Verse, die ganz eindeutig sagen, dass es in Glaubensdingen keinen Zwang geben darf, dass man den Glauben auch verlassen und wieder zu ihm zurückkommen kann, ohne dass einen dafür jemand bestrafen kann. Viele Muslime in Deutschland kommen aus Ländern, in denen das Abfallen vom Glauben bestraft wird, aber von denen unterscheiden wir uns in diesem Punkt ganz klar.

Kritische Stimmen behaupten immer wieder, dass der Islam nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.

Ich sehe den Islam absolut kompatibel mit dem deutschen Grundgesetz. Zu dessen Grundlage gehören auch die Menschenrechte und was viele nicht wissen ist, dass an denen sehr aktiv auch ein Ahmadiyya-Mitglied mitgearbeitet hat. Es gibt im Islam den Grundsatz, dass ein Muslim verpflichtet ist, loyal zu dem Staat zu stehen, unter dessen Dach er lebt. Uns ist wichtig, dass jeder Mensch mit anderen Menschen auskommen muss, egal ob er einer Religion angehört oder nicht. Wir müssen zusammenleben und deshalb ist es wichtig, den anderen zu respektieren.

Wie steht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau in ihrer Gemeinde?

Wie sprechen von der Gleichwertigkeit und Mann und Frau. Frauen sind bei uns genauso gebildet wie Männer und arbeiten auch in allen Berufen. Viele Frauen kümmern sich bei uns allerdings sehr bewusst um die Kinder. Familie ist für uns sehr wichtig und das erfordert eine Aufgabenteilung. Wir finden aber nicht das patriarchalische Gesellschaftsbild richtig, wo die Frauen – wie zum Beispiel in Afghanistan – unterdrückt werden.

Die Angst vor islamistischen Terror ist heute bei vielen Menschen groß.

Es gibt viele Verse im Koran, die eindeutig sagen, dass ein Angriffskrieg nicht gestattet wird. Vieles von dem, was wir heute in der Welt sehen, ist konträr gegenüber den Lehren des Islams. Dass Muslime sich gegenseitig töten, muss einem wahren Muslim das Herz zerreißen.

Wie können Sie sichergehen, dass sich kein Mitglied ihrer Gemeinde radikalisiert?

Wir wissen, wer in unseren Moscheen ein- und ausgeht. Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass wir in unseren Moscheen keine radikalen Muslime kennen. Jeder ist bei uns registriert und hat einen Mitgliedsausweis. Wir sind ständig in Gesprächen und haben ein starkes Miteinander. Dass sich Einzelne radikalisieren, ist deshalb unwahrscheinlich. Radikal eingestellte Moslems trauen sich auch nicht, mit uns zu diskutieren, weil wir uns mit dem auseinandersetzten, was da behauptet wird. Und das ist so gegensätzlich zu den Lehren des Islams, dass zum Beispiel einem Pierre Vogel die Argumente ausgehen würden. Da fehlt oft das theologische Know-how.

Viele Menschen lehnen eine Moschee in Erfurt mit dem Argument ab, dass es in islamischen Ländern nicht erlaubt wäre, eine christliche Kirche zu bauen.

Unser Standard ist ja zum Glück nicht das, was in der dritten Welt passiert. Wir leben in einer offenen und freien Gesellschaft. Wir wollen uns ja hier nicht rückwärts entwickeln. In der Zentrale der Ahmadiyya-Gemeinde in Pakistan wurde den Christen eigens Land für eine Kirche zur Verfügung gestellt und dort läuten auch die Glocken. Hindus, Sikhs, Moslems und Christen leben dort friedlich zusammen. Der Islam lehrt, dass alle Religionen ihren Wahrheitsgehalt haben und ist deshalb keine Bedrohung für eine Gesellschaft.