Veröffentlicht inErfurt

Blut, Urin, Wanzen: So ist die Arbeit als Tatortreinigerin wirklich

Blut, Urin, Wanzen: So ist die Arbeit als Tatortreinigerin wirklich

Tatortreinigerin Juliane Tetzel 2.jpg
Vom Tod keine Spur mehr: Die Thüringer Tatortreinigerin Juliane Tetzel wird vor allem dann gerufen, wenn einsame Menschen unbemerkt sterben. Foto: Michael Steinfeld

Wenn das Leben endet, beginnt für Juliane Tetzel die Arbeit. Die 29-Jährige aus Erfurt ist Tatortreinigerin. Wer dabei an Mord und Totschlag denkt, ist allerdings auf der falschen Fährte. Meist sind es Suizide oder Unfälle, die ihren Einsatz notwendig machen. Denn der Tod hinterlässt seine Spuren.

Ein-, zweimal im Monat ist Juliane Tetzel als Putzfrau fürs Grobe im Einsatz. „Wir sind in ganz Thüringen unterwegs, meistens aber im Umkreis von Erfurt.“ Die Quereinsteigerin kam vor fünf Jahren als gelernte Bäckereifachverkäuferin zum ungewöhnlichen Beruf.

Beauftragt wird der spezielle Reinigungsservice ihres Chefs Hendrik Bergholz eher nicht von der Polizei. Manchmal sind es Familienangehörige, in der Regel aber lediglich die Hausverwaltung. Für Juliane Tetzel nicht ist der Tod das Schlimmste, sondern wie einsam mancher Verstorbener war. Immer wieder bleiben nämlich die Leichen über viele Wochen unbemerkt. „Da frage ich mich schon: Bekommen die Nachbarn denn nichts mit? Es stinkt extrem, die Krabbeltiere sind da. Das bemerkt man schon im Hausflur. Dazu quillt der Briefkasten über.“

Ganz egal, ob im Villenviertel oder in der Plattenbausiedlung – jeder lebt nur noch für sich, klagt Tetzel. „Es ist schon deprimierend, dass niemand mehr auf seine Umgebung achtet. Früher hat man jeden im Treppenhaus gegrüßt. Heute bekommt man vielleicht nur einen bösen Blick. Das Menschliche fehlt oft.“

„Sein Blut war überall im Treppenhaus verteilt“

Immer wieder löschen Juliane Tetzel und ihre Kollegen nicht nur die Erinnerungen an den Tod. Häufig landet ein ganzes Leben im Container. „Wenn es gewünscht ist, räumen wir die Wohnung komplett leer. Wir zerlegen die Möbel oder lagern sie ein.“ Dabei stößt die Tatortreinigerin auf viel Privates, auf Fotos und Unterlagen. „Wir lernen so einiges über den Menschen.“

Nicht selten war der Verstorbene ein Messie. „Eine ansonsten teure Stadtwohnung war einmal so bis unter die Decke zugemüllt, dass der Mann schon in seinem Auto in der Tiefgarage geschlafen hatte.“

Die Wohnungen betritt die Tatortreinigerin im Ganzkörperanzug mit Gummistiefeln, Handschuhen und Mundschutz. „Wir haben Spezialreinigungsmittel, das Sie nicht im Supermarkt bekommen“, beschreibt sie ihre Ausrüstung. Nicht immer ist jemand gestorben. „Einmal war jemandem eine Ader geplatzt. Sein Blut war überall im Treppenhaus verteilt und wir mussten es wegwischen. Er hat es zum Glück überlebt.“

Der Geruch des Todes

Ist das Blut erst einmal im Boden eingesickert, hilft in der Regel auch das stärkste Reinigungsmittel nicht mehr. „Sind die Körperflüssigkeiten eingezogen, können wir nur die Teppiche herausreißen. Wenn es ganz schlimm kommt, müssen wir auch die Tapeten entfernen, weil wir den Gestank nicht mehr herausbekommen.“

Denn manchmal stößt selbst der Ozongenerator, den die Firma aufstellt, an seine Grenzen. Das Gerät soll die Luft entkeimen und Gerüche desinfizieren. „Wir waren in einer Wohnung, in der sich jemand am Dachbalken erhängt hatte.“ Die Leiche war eine lange Zeit unbemerkt geblieben. „Dort hatten wir das Gerät dann fast drei Monate stehen.“

„Süßlich, aber auch extrem“, so beschreibt die nervenstarke Frau den Geruch des Todes. „In einer Messiewohnung kommt noch der Gestank von Kot und Urin dazu oder vom Müll. Wenn Sie den Kühlschrank mit verschimmelten Lebensmitteln öffnen, ist das nicht so angenehm.“ Einmal hat die Tatortreinigerin, die in ihrer Freizeit gerne Krimiserien wie CSI oder Bones schaut, noch das verhungerte Haustier gefunden.

Den Kindern erzählt sie nichts

In solchen Fällen hat sich das Ungeziefer schon in der Wohnung breit gemacht. Immer wieder arbeiten die Erfurter Tatortreiniger daher mit Schädlingsbekämpfern zusammen. Ein Fall ist Juliane Tetzel vor allem in Erinnerung. „Eine ältere Frau hat mit Wanzen gelebt. Die waren überall – im Bett, in der Couch. Obwohl der Pflegedienst regelmäßig zu ihr kam, war sie am ganzen Körper mit Bissen übersät.“

Juliane Tetzel ist wahrlich nicht zimperlich. Für sie ist es ein Job, den eben jemand erledigen muss. „Natürlich verspüre auch ich diesen Ekel. Manchmal öffnen wir die Haustür und machen erst einmal gleich wieder kehrt und müssen tief durchatmen. Wir sind ja auch nur Menschen.“

Abends zu Hause hat sie kein Problem, von der Arbeit abzuschalten. „Ich habe drei Kinder, einen Mann, einen eigenen Haushalt – da bin ich voll ausgelastet. Den Kindern“, gesteht sie, „erzähle ich aber nichts von meinem Arbeitstag.“

Juliane Tetzel ist bei der Arbeit ständig mit dem Sterben konfrontiert. „Aber ich bin auf meinen eigenen Tod nicht besser vorbereitet. Mit meinen 29 Jahren habe ich aber auch noch genug Zeit.“