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Hunderte Verdachtsfälle: Verfassungsschutz mit Reichsbürger-Prüfung überfordert

Hunderte Verdachtsfälle: Verfassungsschutz mit Reichsbürger-Prüfung überfordert

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Sogenannte Reichsbürger erkennen die staatliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Foto: imago stock&people
  • Verfassungsschutz prüft seit Monaten Reichsbürger-Verdachtsfälle
  • Hunderte werden derzeit untersucht
  • Lange Dauer mit Personalmangel begründet

Trotz der schon mehrere Monate andauernden Prüfungen des Landesamtes für Verfassungsschutz ist noch immer nicht klar, wie viele Reichsbürger es in Thüringen gibt. Der Inlandsnachrichtendienst untersuche derzeit noch etwa 250 entsprechende Verdachtsfälle, sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Dieter Hausold (Linke), am Freitag in Erfurt im Landtag bei der Vorstellung des aktuellen Berichts des Gremiums.

Verfassungsschutz prüft zahlreiche Reichsbürger-Verdachtsfälle

Bei 880 Thüringern gebe es inzwischen klare Anzeichen dafür, dass sie der Reichsbürger-Szene zuzuordnen seien. Unter ihnen seien etwa 50 Rechtsextreme. Reichsbürger lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab. Die Abgeordneten der PKK kontrollieren den Thüringer Verfassungsschutz. Das geheim tagende und beratende Gremium besteht aus insgesamt fünf Abgeordneten von CDU, SPD, Linke und Grüne.

Andauernde Prüfungen wegen Personalmangel

Ein Grund dafür, dass die Prüfungen der Reichsbürger-Verdachtsfälle noch immer andauern: Der Verfassungsschutz sei auch aus Sicht der PKK inzwischen an seiner Belastungsgrenze angekommen, sagte Hausold. Der Behörde fehle Personal. Die Landesregierung müsse sich fragen, ob der Inlandsnachrichtendienst noch arbeitsfähig sei.

Teilweise zugesicherte Stellen wieder gestrichen

Aus Sicht der Kommission sei es für die Sicherheit im Land wichtig, dass die Behörde ihre Aufgaben erledigen könne. Deshalb sei es nicht zielführend, dass dem Verfassungsschutz in der Vergangenheit zwar sieben neue Stellen zugesichert, von diesen bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2018/2019 aber wieder vier gestrichen worden seien. Auch der Präsident des Amtes, Stephan J. Kramer, hatte in der Vergangenheit immer wieder mehr Personal gefordert.

CDU-Politiker Fiedler drängt auf Entwaffnung

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Fiedler sagte anlässlich der Vorstellung des Berichts, er könne nicht mehr nachvollziehen, dass noch immer zahlreiche Reichsbürger legal Waffen besäßen, obwohl sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnten. Man könne niemandem mehr erklären, dass Sportschützen und Jäger stark von den Waffenbehörden kontrolliert würden, bei Reichsbürgern sei der Staat aber offensichtlich nicht in der Lage durchzugreifen, um ihnen ihre Waffen wegzunehmen. „Wo sind wir denn eigentlich angekommen?“, so Fiedler.

Fehlt Bericht über V-Leute in Thüringen?

Scharfe Kritik am Bericht der PKK kam vom innenpolitischen Sprecher der Linke-Fraktion, Steffen Dittes. In dem Papier werde kaum deutlich, wie die Abgeordneten ihre Kontrollfunktion wahrgenommen hätten und wo sie in den vergangenen Monaten gegebenenfalls korrigierend in die Arbeit des Verfassungsschutzes hätten eingreifen müssen. Stattdessen würden darin hauptsächlich Entwicklungen zur Sicherheitslage in Thüringen und Deutschland erneut referiert. „Es war ein fortgesetzter Verfassungsschutzbericht“, sagte Dittes. So fehle in dem PKK-Bericht auch jeder Hinweis darauf, wie sich der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln wie V-Leuten in Thüringen entwickelt habe.

Verfassungsschutz – umstritten bei R2G

Innerhalb des rot-rot-grünen Bündnisses ist der Inlandsnachrichtendienst umstritten: Die Linke will den Verfassungsschutz abschaffen. Grüne und SPD sehen die Vergangenheit der Behörde zwar äußerst kritisch, plädieren aber für ihre Beibehaltung.