Nach dem umstrittenen Aufzug von teils Maskierten gegen den geplanten Moscheebau in Erfurt-Marbach hat der Sprecher der betroffenen muslimischen Gemeinde die Stadt kritisiert. „Dieses unverantwortliche Handeln und Wegschauen der Behörden macht mir als Muslim Angst“, sagte der Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinde, Suleman Malik, am Dienstag.
Umfrage zur Anti-Moschee-Demo: Verstoß oder angemessen?
Maskierte Menschen wandeln lärmend durch Marbach
Am Sonntagmorgen war eine kleine Gruppe von knapp 20 Gegnern des genehmigten und für 2019 geplanten Baus der Ahmadiyya-Moschee durch Marbach gezogen. Die Teilnehmer spielten laute Muezzin-Rufe vom Band ab und trugen teils Verkleidungen und Masken, die wohl an Araber erinnern sollten.
Kundgebung vor dem Privathaus von Astrid Rothe-Beinlich
Für eine Kundgebung hielt die Gruppe vor dem Privathaus der sich für Religionsfreiheit einsetzenden Grünen-Landtagsabgeordneten Astrid Rothe-Beinlich. Sie verstand die Megafon-Ansprache vor ihrem Haus als Bedrohung. Auch sie äußerte Unverständnis darüber, dass der Aufzug in der Form genehmigt werden konnte. Die Polizei ermittelt inzwischen wegen des Anfangsverdachts einer Bedrohung gegen Unbekannt. „Die Teilnehmer waren ja größtenteils maskiert“, sagte eine Polizeisprecherin.
Bilder von der umstrittenen Anti-Moschee-Demo in Erfurt-Marbach
Vermummung oder nicht - das ist hier die Frage
Die zuständige Behörde der Stadt habe den Masken-Protest in dieser Form nicht beanstandet, sagte der Beigeordnete für Bürgerservice und Sicherheit. Ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot liege aus seiner Sicht nicht vor, wenn die Menschen eindeutig - etwa durch Ausweise - zu identifizieren seien. Im Versammlungsgesetz heißt es indessen, es sei verboten, an Veranstaltungen in einer Aufmachung teilzunehmen, die geeignet oder darauf ausgerichtet ist, „die Feststellung der Identität zu verhindern“.
Moscheebau-Gegner greifen auf rabiate Methoden zurück
Gegner des Moscheebaus hatten bereits 2017 nahe dem Baugelände große Holzkreuze und Holzspieße mit Schweinekadavern aufgestellt. Im Sommer verstörte eine andere Aktion von Moschee-Gegnern, die in der Erfurter Innenstadt eine Hinrichtung mit viel Kunstblut vortäuschten. Es geht um den ersten Neubau einer Moschee in Thüringen überhaupt.
Drohungen über soziale Medien
„Das sind neue Dimensionen von Bedrohung für uns“, sagte Malik. Er sei getreten und gemeinsam mit Gemeindemitglieder angepöbelt worden. „Mir hat man gesagt, dass ich gehängt gehöre.“ In den sozialen Medien gingen die Drohungen weiter. „Sobald wir auf das Baugrundstück gehen, kommen Leute, die uns filmen und fotografieren.“
Ahmadiyya-Sprecher auf dem Anger bespuckt
Er könne nicht verstehen, dass die Sicherheitsbehörden nun auch noch den Aufzug von Sonntag genehmigten, bemerkte der Sprecher der muslimischen Gemeinde. „Wir bieten ja den Dialog an, wollen informieren und stehen jeden Samstag auf dem Anger.“ Dabei sei er einmal am Infostand in der Erfurter Innenstadt auch bespuckt worden.
Ahmadiyya vereint in Thüringen 100 Mitglieder
Die Ahmadiyya-Gemeinde zählt in Thüringen nach eigenen Angaben etwa 100 Mitglieder. Die Ende des 19. Jahrhunderts im heutigen Pakistan gegründete Bewegung hat nach eigenen Angaben weltweit zehn Millionen Anhänger, die in den einzelnen islamischen Ländern jeweils eine Minderheit sind. Andere Glaubensrichtungen des Islams grenzen die Gemeinschaft teils als nicht-muslimisch aus. Sie selbst präsentiert sich als liberal und offen, sie gilt anderen aber auch als konservativ.