Wer in Erfurt wohnt, und das schon eine Weile, der wird es wissen: Sobald die Temperaturen steigen, steigt auch die Anzahl der Baustellen. Was auch immer es mit dieser seltsamen Symbiose auf sich hat – wir haben wohl alle aufgehört, darüber nachzudenken. Nicht selten nimmt das solche Ausmaße an, dass selbst Puffbohnen wenn sie ins Auto steigen ihr Navi anschmeißen müssen.
Irgendwie hat man sich an den Baustellen-Slalom gewöhnt und wenn man dann doch einmal wieder vor einer Sackgasse steht, hat man nur ein müdes Schnauben übrig. Doch in diesem Jahr scheint die Stadt noch eine ganze Schippe drauf zu legen und den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Denn Baustellen-Slalom war gestern. Wir haben das Upgrade zum Wahnsinn erhalten.
Erfurt stellt Autofahrer auf harte Probe
In den acht Jahren, die ich in Erfurt lebe, habe ich schon einiges an Baustellen, Umleitungen und nervenaufreibenden Autofahrten erlebt. Großumbau der Clara, Dauerbaustelle Schmidtstedter Knoten, Flicken der Straßendecke am Juri – die Liste ist lang. Subjektiv betrachtet war ich schon mehr als einmal der Meinung, dass in Erfurt und besonders im Bereich der Innenstadt mittlerweile jede Ecke ausgebessert sein muss. Doch weit gefehlt: Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo die nächste Baustelle her.
Ehrlich, mittlerweile fühle ich mich wie bei „Versteckte Kamera“ oder der „Truman-Show“, wenn ich ins Auto steige. Die Straße vor meiner Haustür wird jetzt in drei Jahren das dritte Mal aufgerupft. Der direkte Weg auf den Juri-Gagarin-Ring fällt damit für mich weg. Biege ich auf die Stauffenbergallee ab, muss ich mich wenig später durch die Dauerbaustelle am Schmidtstedter-Knoten kämpfen – und wir wissen alle, dass selbst Hartgesottene mit Nerven aus Stahl nach dem Passieren der Kreuzung – besonders zur Feierabendzeit – eine Therapie zur Aggressionsbewältigung brauchen. Da reicht dann auch, dass die Linksabbiegespur (von der Weimarischen Straße kommend) zum T.E.C gesperrt ist, um aus der Fahrt zum Einkaufen die Einweisung in die Burnout-Klinik zu machen – am besten per Krankenwagen und nicht mit dem eigenen Auto.

Autofahrer kommen an ihre Grenzen
Richtig „witzig“ wird jedoch jedes Mal die Heimfahrt. Um den Kokolores zu verdeutlich, muss ich weiter ausholen: Ich wohne am Rand der Innenstadt von Erfurt – in einer Sackgasse an einer Kreuzung. Man kann sich das Ganze als Plus-Zeichen vorstellen. Der untere Strich ist besagte Sackgasse – der rechte Arm, die Mega-Baustelle. Bleiben also noch zwei Wege, wie ich meine Wohnung erreiche beziehungsweise verlasse. Dürfte reichen, sollte man meinen.
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Nun ist es aber so, dass die Straße des „oberen Strichs“ (bleiben wir bei der Plus-Zeichen-Metapher) wegen einer anderen kleinen Baustelle zur Einbahnstraße wurde – zumindest die letzten 50 Meter – die leider nun mal entscheidend sind, um vor meine Haustür zu gelangen. Bleibt also nur noch ein Weg. Da man dort aber unmittelbar an der großen Kreuzung der Stauffenbergallee steht, kann man nicht beliebig in alle Richtungen abbiegen. Es ist kompliziert, ich weiß. Noch bevor ich ins Auto steige gestaltet sich die Routenplanung für mich ähnlich schwer, wie das Lösen eines Integrals. Und für den Nachhause-Weg muss ich nicht nur mit der Kirche ums Dorf, sondern ums Nachbardorf gleich mit.
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Natürlich haben Erfurts Straßen diverse Bauarbeiten nötig, klar ist auch, dass Straßen für neue Trinkwasserleitungen aufgerissen werden müssen. Es ist ja nicht so, als ob das aus purer Langeweile geschieht. Aber was ist denn das bitte für eine Planung? Ich fahre auf dem Juri in Sichtweite an meiner Wohnung vorbei und muss dann so einen Umweg nehmen, dass sich sogar die Postleitzahl ändert. Baumaßnahmen schön und gut… aber muss alles zeitgleich stattfinden? Wer denkt ich übertreibe, kann einmal einen Blick auf die Baustellen-Übersicht auf der Internetseite der Stadt werfen.
Aber um das Ganze mit etwas Positivem abzuschließen: Seitdem ich in Erfurt wohne, ist mein „Kfz-Tourette“, also dem lautstarken verbalen Aufregen samt Beleidigungen Brüllen beim Autofahren besser geworden – andernfalls wäre mir sicherlich schon lange der Atem ausgegangen.