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Erfurt: Journalistin wagt sich in AfD-Hochburg – „Machen mir Angst“

Eine Journalistin wagt sich in die AfD-Hochburg Erfurts. Was ist dran an Klischees wie „Alle im Osten sind rassistisch“ und „Alle Ausländer kriminell“?

© imago/ Karina Hessland

Was du über die Stadt Erfurt wissen solltest

In diesem Video stellen wir dir die thüringische Hauptstadt vor.

Die Journalistin Lena Elfers macht sich auf den Weg nach Erfurt. Zehn Tage ist sie in der Blumenstadt im Herzen von Thüringen unterwegs – nicht etwa um sich die typischen Touri-Ziele wie Dom, Krämerbrücke, Egapark und den Petersberg anzusehen. Nein, sie wagt ein besonderes Experiment.

Ihr Weg führt sie direkt zum Herrenberg – einer der sogenannten AfD-Hochburgen Erfurts. Bei der letzten Bundestagswahl hat die Partei hier die Mehrheit geholt. Gleichzeitig macht sie ein Praktikum in einer Geflüchteten-Unterkunft. Ihre Eindrücke schildert sie in der Y-Kollektiv-Reportage „Ausländer kriminell, Ossis rassistisch?“

Erfurt: Journalistin wagt Experiment am Herrenberg

Auch rund 25 Jahre nach der Wende gibt es innerhalb der alten und neuen Bundesländer noch deutliche Unterschiede. Angefangen von den Gehältern bis hin zu politischen Ansichten. Bei der letzten Bundestagswahl hat die AfD besonders im Osten abgeräumt. Deshalb hat sich Lena nach Erfurt aufgemacht, um mit Menschen zu sprechen, die sich durch Migration verunsichert fühlen und um mit Geflüchteten zu reden, die versuchen hier Fuß zu fassen. Wie viel ist an den Klischees dran, dass im Osten alle rassistisch sind und alle Ausländer kriminell?

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Während der zehn Tage in Erfurt wohnt die Journalistin am Herrenberg. In einer Unterkunft, die Monika Fiege betreibt. Auch die Rentnerin hat bei der letzten Bundestagswahl für die AfD gestimmt. „Ich bin nicht gegen Ausländer […] aber viele Männer, die kommen hier her und machen den ‚Lebemann‘. Ich würde sagen, über 50 Prozent arbeiten gar nicht. Die leben nur auf unsere Kosten auf unseren Staat. Und das sehe ich nicht ein. Ich hab ’ne kleine Rente noch nicht mal 800 Euro und hab mein Leben lang gearbeitet, habe zwei Kinder großgezogen und da soll ich aus Syrien und Pakistan und ach was ich, wo die überall herkommen, die soll ich mit unterhalten und denen Essen und Trinken geben. Wie komm ich denn dazu?“, macht die Erfurterin ihren Unmut gegenüber Lena deutlich.

„Weiß nicht, wie ich reagieren soll“

„Ich muss das ein bisschen verdauen. […] Ich will das ja gar nicht werten. Aber ich weiß manchmal so gar nicht richtig, wie ich reagieren soll“, schildert die Journalistin darauf ihre Eindrücke von dem Gespräch. Auf einen ähnlichen Tenor trifft sie bei einem gemütlichen Beisammensein von mehreren Senioren am Erfurter Herrenberg. „Die [AfD] sagen ja nicht generell Ausländer raus. Pflegekräfte, Ärzte, Fachkräfte die sollen gerne hierbleiben. Aber diese Durchgewalkten in modernen Klamotten – die haben nicht solche billigen Handys wie wir. Die lungern hier in der Gegend rum, die führen sich auf wie Graf Rotz“, tut einer der Erfurter seine Meinung kund und fährt fort: „Vor knapp 1,5 Jahren hab ich aufgehört zu arbeiten. Ich hab mir nen Mini-Job gesucht. Nicht nur weil ich Freude am Arbeiten hab und an dem Job, sondern wir brauchen das Geld einfach […] ich muss jeden Monat rechnen, das wir nicht ins Dispo rutschen.“

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Unmut, Angst und Machtlosigkeit bestehen auch auf der anderen Seite, wie Lena hautnah in der Erfurter-Geflüchteten-Unterkunft mitbekommt. „Es ist hart, wenn man jeden Tag rausgeht und dann einfach nur spürt, dass sie nicht wollen, dass du in einem Land bleibst. Sie wollen dich nicht mit im Raum haben. Das ist irgendwie echt traurig und auch herzzerreißend“, erzählt Egosha aus Nigeria gegenüber Lena. Die geflüchtete Syrierin Seba kann das Misstrauen der Erfurter teilweise nachvollziehen. Trotzdem macht sie deutlich: „Ich werde lernen, ich werde arbeiten, ich werde Steuern zahlen. Und ich wünschte, sie [die Menschen] wüssten das. Vielleicht hat die Mehrheit von uns Probleme gemacht. […] Aber vielleicht wissen sie auch, dass es Menschen gibt, die anders sind – und dass es gute Geflüchtete gibt“, macht sie gegenüber der Journalistin deutlich.

Lage am Erfurter Herrenberg angespannt

Die Lage am Herrenberg in Erfurt ist angespannt. Das bekommen auch die Anwohner zu spüren. Lena spricht mit zwei Frauen, die in der Blumenstadt geboren und aufgewachsen sind. Sie haben weder einen Migrationshintergrund noch sind sie AfD-Wähler. Doch auch bei ihnen ist die Angst groß. „Das hier fühlt sich nicht mehr wie Heimat an, weil man eben mit so viel Angst jeden Tag leben muss“, erzählt Miri im Gespräch mit der Journalistin und führt weiter aus: „Ich bin der Meinung, dass das Problem nicht unbedingt Migranten sind, sondern wirklich Männer. Wobei ich da jetzt auch nicht sagen würde, dass jeder Mann per se eine Gefahr ist.“ Angst sei immer das Argument auf der anderen Seite, aber wenn man genauer hinschaue sehe man, dass es Wut und Hass sei und keine Angst.


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Die zehn Tage in Erfurt neigen sich wohl schneller dem Ende, als Lena dachte. In der kurzen Zeit hat sie etliche Eindrücke sammeln können – von verschiedenen Seiten. „Zumindest habe ich versucht zuzuhören, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen – hinter den Klischees. Aber auch ich hatte am Anfang Angst vor dem Fremden“, fasst Lena ihre Erfahrungen zusammen. „Ich habe keine gefährlichen Nazi-Schläger getroffen, sondern Menschen, die ich gern hatte, aber deren politische Ansichten mir große Angst machen. Diese Zerrissenheit war die größte Herausforderung für mich“, fasst die Journalistin ihr Experiment zusammen.

Die komplette Reportage des Y-Kollektivs, welches im Auftrag des MDR unterwegs war, siehst du >>HIER<<.