Es war abzusehen und schon lange angekündigt: Die Kosten für einen Bewohnerparkausweis in Erfurt steigen (wir berichteten). Immerhin zahlte man hier zuletzt für ein Jahr Parken schlappe 30 Euro und lag damit weit hinter Städten wie Jena, Gera und Eisenach.
Trotzdem steigt der Frust bei vielen Autofahrern in Erfurt. Denn der Preis ist nicht gesprungen, sondern regelrecht explodiert. Die Gründe sind in Ansätzen nachvollziehbar. Doch die Stadt setzt den falschen Fokus – wie unsere Redakteurin findet.
Ein Kommentar.
„Erfurt, echt jetzt?“
Zugegeben, die Ansage, dass die Kosten für einen Bewohnerparkausweis steigen, ist Schnee von gestern. Noch in Amtszeiten von OB Andreas Bausewein sorgte das Thema für Gesprächsstoff – unter anderem, weil ein Jahresbetrag von 365 Euro im Raum schwebte. Anfang 2024 kam der Rückzieher aus dem Rathaus (>>HIER<< mehr dazu). Seitdem passierte nichts. Umso stärker traf mich der Schlag, als ich die Ankündigung der Stadt vernahm.
+++ Ein Erfurter Leerstand füllt sich – und die Betreiber sind keine Unbekannten +++
Statt 30 Euro im Jahr, sollen Erfurter nun 100 Euro für ihren Bewohnerparkausweis blechen. Die Stadt spricht dabei von einer „Anpassung“, die „mit Augenmerk“ festgelegt wurde – ich sehe das eher als „Explosion“. Immerhin reden wir hier von einem Anstieg von 233,33 Prozent. Zumal ich die Gründe nicht einhundert Prozent nachvollziehen kann und finde, dass die Stadt an einer falschen Stelle ansetzt. Aber gehen wir das Ganze gerne im Detail durch.
Stadt Erfurt spricht von „fairem Ausgleich“
Die Stadt Erfurt argumentiert in ihrem Post auf Instagram, dass die 30 Euro (Kosten für ein Jahr) die Verwaltungskosten nicht mehr decken. Sehe ich ein. Lohn steigt, Ausgaben werden höher. Ein weiterer Punkt sei der knappe öffentliche Raum – besonders in der Innenstadt. „Die neue Gebühr sorgt für einen fairen Ausgleich: Vergleichbare Nutzungen derselben Fläche – etwa durch Gastronomiebetriebe – sind mit deutlich höheren Gebühren verbunden.“ Echt jetzt, Erfurt? Bin ich als Anwohnerin also ein Unternehmen? Im Gegensatz zu besagten Gastros, habe ich weder einen Umsatz noch eine feste Fläche, auf die ich mich berufen kann und die mir sicher ist, sondern nur die CHANCE auf ein freies Fleckchen.
Alle Anwohner, besonders die in der Erfurter Innenstadt, können davon ein Lied singen. Die rund ums Theater sind besonders gelackmeiert. Wer dort wohnt, findet schneller das Bernsteinzimmer als einen freien Parkplatz. Und auch weiter ab vom Schuss, aber durchaus noch Innenstadt, liefert man sich zur Feierabendzeit erbitterte Kämpfe. Kommen dann noch die Touris auf Parkplatzsuche dazu, folgen epische Schlachtszenen, wie wir sie sonst nur aus Filmen wie „Herr der Ringe“ kennen – nur eben mit Autos. Ich hab Dutzende Freunde, die unfreiwillig Hauptrollen in eben solchen Szenen übernehmen. Klar, 100 Euro im Jahr sind immer noch besser als 80 Euro pro Monat für einen Stellplatz, aber hier läuft die Argumentation ähnlich: Den hat man sicher – zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Fokus auf die Touris!
Was mich aber wirklich auf die Palme bringt, ist folgende Argumentation der Stadt Erfurt: „Eine maßvolle Reduktion des KFZ-Verkehrs schafft mehr Raum für sichere Wege, grüne Flächen und Aufenthaltsqualität, zudem sinkt die Belastung durch Emissionen.“ Auch hier fällt mir nur zu ein: Erfurt, echt jetzt? Die Autos der Anwohner sollen aus der Innenstadt verschwinden? Ich habe keinen Wagen vor der Tür stehen, weil sich der Anblick so gut ins umgebene Stadtbild einfügt, sondern weil ich es brauche. Vermutlich genauso, wie jeder andere. Wie wärs denn damit, bei denjenigen anzusetzen, die ihren Hintern auch ohne Auto in die Stadt bewegen können: den Touristen.
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Parkgebühren in der Innenstadt erhöhen – Alternativen bieten. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Art Kombi-Ticket für die P+R-Parkplätze? Also Parkgebühren inklusive Straßenbahnticket für einen Tag. Kein Erfurter hat ein Auto stehen, weil er nicht in irgendeiner Art und Weise darauf angewiesen ist – und wenn, dann steht das Schmuckstück sicherlich gut geschützt in einer Garage. Die Anwohner dafür zu bestrafen, mobil sein zu müssen, finde ich unfair. Was wären auch die Alternativen? Sind wir mal ehrlich: Wer wichtige Termine hat oder pünktlich auf der Arbeit sein muss, nimmt das Auto. Und wer in Erfurt wohnt, kommt nicht mit dem Auto in die Innenstadt.
Keiner sagt, dass eine Preisanpassung des Bewohnerparkausweises ungerechtfertigt ist. Den Sprung finde ich aber schon arg happig – und die Argumentation teilweise anmaßend.





