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Nach Angriff in Erfurt: Jüdische Gemeinde spricht Klartext – „Umgehend Deutschland verlassen“

Ein antisemitischer Angriff in einer Straßenbahn hat Erfurt erschüttert. Die Jüdische Gemeinde Thüringen äußert sich gegenüber Thüringen24.

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Bundesbeauftragter: Judenhass so stark wie seit Jahrzehnten nicht

Der Hass gegen Juden in Deutschland ist laut dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, auf einem so hohen Niveau wie seit Jahrzehnten nicht. Seit dem 7. Oktober wurden mindestens 2000 Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt gezählt, sagte Klein in Berlin.

Ein antisemitischer Angriff in einer Straßenbahn hat in Erfurt für Bestürzung gesorgt. Am Freitagmorgen (26. September) wurde ein 24-jähriger Student attackiert, weil er eine Halskette mit einem Davidstern trug. Der Täter flüchtete, die Kriminalpolizei und der Staatsschutz ermitteln.

Die Tat löste in Erfurt eine Welle der Empörung aus. Parteien und Institutionen verurteilten den Angriff. Nun hat auch die Jüdische Landesgemeinde Thüringen Stellung bezogen und ihre Einschätzung der Lage deutlich gemacht.

Jüdische Gemeinde in Erfurt reagiert

Nach Angaben der Polizei stieg der Täter am frühen Morgen im Bereich des Klinikums Erfurt in die Straßenbahnlinie 3. Dort fiel ihm das Schmuckstück des Opfers auf.“„Nach bisherigen Erkenntnissen erkannte der Täter bei diesem eine Kette mit einem Davidstern und versuchte in der Folge, den Mann aus der Bahn zu ziehen. Dabei trat er ihn mehrfach gegen die Körperseite“, teilte die Polizei mit. Der Davidstern, den der Student seit seiner Kindheit trug, ging dabei verloren. Bei dem Geschädigten handelt es sich um einen jungen Studenten der Friedrich-Schiller-Universität.

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Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen hatte den jungen Mann am 29. September in die Synagoge eingeladen, um ihre Solidarität zu zeigen. Die Thüringer Landesregierung und der Stadtrat in Erfurt verurteilten die Tat. Thüringen24 hat mit dem Vorsitzenden der Landesgemeinde, Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Schramm, gesprochen.

„Gerade hatten wir am Wochenbeginn hoffnungsvoll in Erfurt das jüdische Neujahrsfest 5786 begangen, als am Freitagmorgen, den 26.9.2025, in Erfurt der jüdische Student S. […] als Jude beschimpft und mehrfach geschlagen und getreten wurde, weil er eine Halskette mit David-Stern trug.“ Der erschreckende Vorfall bestätige nun auch in Thüringen die jüdischen Ängste, dass nach nach Worten des Hasses brutale Gewalt folgt. Es sei naiv zu glauben, dass die europaweite Zunahme des Judenhasses um Thüringen einen Bogen macht.

Wachsende Ängste in Thüringen

Gegenüber der „Thüringer Allgemeinen“ erklärte Schramm schon zuvor: „Die Zeiten, in denen wir nur verbal beleidigt wurden, sind vorbei.“ Er ordnete den Angriff als Teil einer beunruhigenden Entwicklung ein. „Anonymen Briefen mit Beleidigungen folgten Briefe mit Drohungen und Gewehrkugeln, Brandanschlägen, auch auf unsere Synagoge, folgten in Deutschland körperliche Gewalt wie am 26. September 2025 auch in Erfurt.“

Die schreckliche Zunahme des Antisemitius insbesondere nach dem 7. Oktober sei für Juden auch in Thüringen schwer zu ertragen, erklärt Schramm. „Die Ängste unserer Mitglieder sind unterschiedlich groß. Die jüdische Identität zu verbergen, hat schon zu traurigen Einfällen geführt.“ Auch wenn die jüdische Gemeinde immer wieder rät: „Verstecken bringt nichts.“


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Die Jüdische Landesgemeinde fordert konkrete Maßnahmen. „Maßnahmen, um die Bestrafung von Tätern zu beschleunigen, tatkräftige Solidarität mit Gewaltopfern zu üben und den wachsenden Antisemitismus mit einer Bildungs- und Kulturoffensive einzudämmen“, erklärt Schramm. Er ergänzt: „Wenn Strafen unumgänglich sind, dann müssen sie sofort erfolgen. Wenn es antisemitische Straftäter gibt, die keine deutschen Staatsbürger sind, müssen sie umgehend Deutschland verlassen.“