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Heftiges Wortgefecht im NSU-Prozess

Heftiges Wortgefecht im NSU-Prozess

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Der Angeklagte Ralf Wohlleben sitzt im Gerichtssaal im Oberlandesgericht, wo der Prozess um die Morde und Terroranschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds fortgesetzt wird. (Archivbild) Foto: Tobias Hase/dpa

Ralf Wohlleben soll die Mordwaffe für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ beschafft haben. Hat er nicht, argumentieren seine Verteidiger – und garnieren ihr Plädoyer mit heftigen Attacken.

Im NSU-Prozess hat ein Verteidiger des mutmaßlichen Terrorhelfers Ralf Wohlleben Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten attackiert und ihn in einem Atemzug mit der einstigen Nazi-Größe Hermann Göring genannt. Weingarten nehme frei nach einem Zitat Görings über Juden für sich in Anspruch: „Wer Nazi ist, bestimme ich“, sagte Anwalt Olaf Klemke am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht. Weingarten wolle bestimmen, „wie ein Nazi zu denken hat und wie schön menschenverachtend er zu sein hat“. Das sei aber ungeeignet, konkrete Feststellungen zu „weltanschaulichen Einstellungen“ Wohllebens zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit zu treffen. Klemke sprach zudem von einer „infantilen Argumentation“. Den Anwalt eines Mitangeklagten beschimpfte er als „weichgeklopft und gehirngewaschen durch die veröffentlichte Meinung“.

Wohlleben soll NSU nicht als „Psychopathen“ erkannt haben

Klemke argumentierte zudem, die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten nicht aus politisch-ideologischen Gründen gemordet, sondern aus höchstpersönlichen: Die beiden hätten an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gelitten – was Wohlleben nicht gewusst habe: Er habe nicht erkennen können, dass es sich bei den beiden „um gemeingefährliche Psychopathen handelt“.

NSU-Mordwaffe beschafft

Die Anklage wirft Wohlleben vor, gemeinsam mit dem Mitangeklagten Carsten S. die Mordwaffe „Ceska“ für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ beschafft zu haben. Damit sollen Mundlos und Böhnhardt aus rassistischen Motiven neun Menschen ausländischer Herkunft ermordet haben. Für Wohlleben forderten die Ankläger deshalb zwölf Jahre Haft. Dessen Anwälte verlangen dagegen einen Freispruch.

Anwalt bestreitet NSU-Nähe zum Nationalsozialismus

Der dritte Wohlleben-Verteidiger, Szene-Anwalt Wolfram Nahrath, nutzte am Ende des Plädoyers die Bühne für einen längeren Vortrag selektiv ausgewählter, meist beschönigender und propagandistischer Zitate aus Zeiten des beziehungsweise über den Nationalsozialismus. Darunter waren auch solche von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und Hitler selbst. Anschließend argumentierte Nahrath, der „Nationalsozialistische Untergrund“ habe sich mit dem historischen Nationalsozialismus wohl kaum befasst. Es liege der Verdacht nahe, „dass der NSU U war, aber nicht NS“.

Zschäpe-Verteidiger werden nach Pfingsten befragt

Nach den Pfingstferien stehen nun noch die Plädoyers der drei ursprünglichen Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe aus, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Zschäpe ist wegen Mittäterschaft an allen Morden und Anschlägen des NSU angeklagt und soll nach dem Willen der Bundesanwaltschaft lebenslang in Haft. Wann das Gericht nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer sein Urteil gegen die insgesamt fünf Angeklagten sprechen will, steht noch nicht fest.