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Europawahl: BSW-Spitzenkandidat De Masi: „Große AfD-Nähe im politischen Establishment“

Die Europawahl ist die erste Wahl des „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Im Interview räumt Spitzenkandidat De Masi mit rechten Vorurteilen auf.

Das neu formierte Bündnis Sahra Wagenknecht will bei der Europawahl ein Zeichen gegen die AfD und die Ampel setzen.
© IMAGO/Hanno Bode

Europawahl 2024: Interview mit BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi

Zur bevorstehenden Europawahl haben wir einige Fragen an den Spitzenkandidat des Bündnis Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi.

Am 9. Juni findet in Deutschland die Europawahl statt, Wähler können zwischen 35 Parteien entscheiden. Erstmals auf dem Wahlzettel wird das Bündnis Sahra Wagenknecht zu finden sein. Die Partei hat sich erst im September 2023 formiert und steht vor ihrem ersten großen politischen Auftritt. EU-Spitzenkandidat Fabio De Masi will im Interview mit unserer Redaktion von den Populismus-Vorwürfen nichts wissen und distanziert sich klar von der AfD.

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Das BSW will als Neuling die europäische Bühne aufmischen. Das Zepter für diese Mission nimmt Fabio De Masi in die Hand, er ist im Gegensatz zu seiner Partei ein alter Hase in der Politiklandschaft. Von 2014 bis 2017 war er bereits Mitglied im EU-Parlament, zwischen 2017 und 2021 saß er als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. Im Januar dann die Bekanntgabe, dass er das BSW in den Europawahlkampf führt, zusammen mit dem Düsseldorfer Ex-Oberbürgermeister Thomas Geisel.

Europawahl: „Vorwurf des Populismus umdrehen“

Der 44-Jährige hat sich ein dickes Politikfell erarbeitet, entsprechend lassen ihn auch die lautesten Vorwürfe der Experten kalt. Im öffentlichen Diskurs wird das BSW gerne als populistisch abgestempelt.

„Wenn man unter Populist jemanden versteht, der die Wahrheit verdreht oder versucht, nur Stimmung anzuheizen, dann wäre ich vorsichtig mit dem Vorwurf. Ich habe die Schuldenbremse zum Beispiel noch kritisiert, als sie von den Redakteuren und der Politik noch verteidigt wurde. Jetzt meckern alle über den Investitionsstau. Ähnlich war es beim Afghanistan-Krieg. Da ist man als Taliban-Versteher gebrandmarkt worden und es endete 20 Jahre später im Desaster. In der Corona-Krise habe ich zum Beispiel die Schulschließungen kritisiert. Jetzt heißt es, die Schulschließungen müssen aufgearbeitet werden und waren fatal, weil sie die Bildungsungleichheit verschärft haben.“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat des BSW, im Interview mit unserer Redaktion

Nur weil man Dinge sagen würde, die anderen nicht schmecken, wäre man also noch lange kein Populist. Er würde sich nicht dafür schämen, dass Leute zum BSW kommen, weil die Partei Leute erreicht, die von der Politik enttäuscht sind. Wenn er sich im Zuge des Ukraine-Krieges anschauen würde, dass „im Kinderkanal Kinder verschiedene Waffengattungen erklärt bekommen, dann halte ich eher andere für extrem radikalisiert und würde umgekehrt den Vorwurf erheben.“

Angeprangert wird die Wagenknecht-Partei auch wegen ihrer drastischen Wortwahl im Wahlkampf. Sämtliche Kabinettsmitglieder würden verbal attackiert werden und die Rhetorik würde immer mehr an die AfD erinnern. Für De Masi ein scheinheiliger Vorwand.

„Alle streiten seit Jahren darüber, wie es gelingt, die AfD zu schwächen. Man kann nicht sagen, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Man will die AfD schwächen, aber man darf nicht mehr die unzufriedenen Menschen in diesem Land erreichen. Habeck hat zum Beispiel das Wort Wirtschaftskrieg verwendet, da hat niemand etwas gesagt. Sahra Wagenknecht erwähnt es im Bundestag und es wird auf einmal auf den Index gesetzt. Das finde ich verlogen.“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat des BSW, im Interview mit unserer Redaktion

Die Aufräumaktion des Fabio De Masi ist damit aber noch nicht vorbei, denn es steht noch eine weitere elefantöse Behauptung im Raum: die potenzielle Nähe zur Weidel-Partei. Konfrontiert mit der Frage, kann der Spitzenkandidat zur Europawahl nur schmunzeln. Er sei der Enkel eines italienischen Widerstandskämpfers. Ihn im Wissen dieser Familiengeschichte über die vermeintliche Nähe belehren zu wollen, sei schon amüsant.

De Masi: Das BSW hat nichts mit der AfD am Hut

Ganz im Gegenteil setze man sich durch seine Politik von der AfD ab. Man lehne Lohnkürzungen strikt ab. Die AfD hingegen habe, wie CDU, SPD, FDP und Grüne, eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro im Bundestag abgelehnt. Die AfD hätte sich wie viele andere etablierte Parteien für die Rentenprivatisierung stark gemacht, vom BSW würde sie kritisiert werden. Sie unterstütze die deutsche Hochrüstung, was dem BSW komplett widersprechen würde. „Da würde ich dann argumentieren, dann gibt es offenbar eine große AfD-Nähe in weiten Teilen des politischen Establishments“.

Vielmehr betont er, dass sich die Protestwähler lieber dem BSW anschließen und die Koalition für die Belebung der AfD verantwortlich sei.

„Es ist ja wohl nicht zu leugnen, dass seit unserer Entstehung die AfD in den Umfragen schwächer geworden ist. Es ist übrigens durch eine groß angelegte Studie belegt, dass die Politik der Ampel, zum Beispiel die Kürzung von öffentlichen Investitionen oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die kleinen Leute, rechte Parteien stärkt. Wir sehen ja die Korrelation: Die AfD ist während der Ampel-Koalition erheblich stärker geworden. Der Vorwurf ist also, dass die derzeitig politisch Verantwortlichen die AfD doch stärken.“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat des BSW, im Interview mit unserer Redaktion

Ein finales Zeichen gegen die AfD könne man setzen, indem das Kreuz bei der Europawahl beim BSW lande. Aber nicht nur gegen die AfD, sondern auch als Signal gegen die Ampel. Ein „weiter so“ dürfe es nicht geben.