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Asyl: Bundespolizei pfeift aus dem letzten Loch: „Können nicht mehr lange durchhalten!“

Die Bundespolizei geht bald auf dem Zahnfleisch, meint Andreas Roßkopf im Interview. Die „Asyl-Wende“ erfordere ein Entgegenkommen der Regierung.

© IMAGO/Frank HOERMANN/SVEN SIMON

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Die Merz-Regierung möchte die „Asyl-Wende“ entschieden vorantreiben. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hat Bundesinnenminister Dobrindt die Verschärfung der Grenzkontrollen angewiesen. Erstmals können auch wieder Asyl- und Schutzsuchende abgewiesen werden. Für die Umsetzung dieser Leitlinie ist die Regierung auf die Bundespolizei angewiesen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Andreas Roßkopf, Vorsitzender für die Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), über die hohe Belastung, welche in der jetzigen Form nur noch kurze Zeit durchzuhalten sei. Die Regierung müsse einlenken.

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Herr Roßkopf, wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation an den Grenzen?

Wir haben natürlich sehr intensivierte Grenzfahndungen und Grenzkontrollen. Die Bundespolizei ist mit sehr vielen Kräften in den Regionen vor Ort. Wir haben auch viele Kräfte der Bundesbereitschaftspolizei hinzugezogen. Die Dienststellen haben ihre Dienstpläne zum Teil umgestellt und haben die Aussetzung der Fortbildungen und den Nicht-Abbau der Überstunden angeordnet. Wir haben aus Sicht der Bundespolizei also eine sehr hohe Belastung. Für die Grenzregionen bedeutet das natürlich, dass wir sehr intensiv an den Binnengrenzen kontrollieren und an den grünen Grenzen, also den Zwischenräumen, mit sehr viel mehr Kräften vor Ort sind, als es noch vor 14 Tagen der Fall war. Entsprechend haben wir es auch mit mehr Aufgriffen von Menschen, die unerlaubt nach Deutschland kommen, zu tun.

Roßkopf schlägt Alarm: Belastungsgrenze bald erreicht

Die Union ist mit den getroffenen Maßnahmen und den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden. Wie beurteilen Sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag?

Herr Dobrindt hat ja erwähnt, dass die Zahlen in der Woche nach der Einführung der intensivierten Grenzkontrollen hochgegangen sind. Man hat die Zurückweisungen um fast 40 Prozent erhöhen können. Allerdings hat die Neuerung der Grenzkontrollen, nämlich auch Asyl- und Schutzsuchende zurückzuweisen, noch nicht voll durchgeschlagen. Die Zahl jener Zurückweisungen war relativ gering [circa 30]. In der Gesamtbetrachtung bleibt also festzuhalten, dass die Grenzkontrollen wirken und eine Steigerung der Zurückweisungen nach sich gezogen haben.

Tatsächlich sind aber die Belastungen für die Bundespolizei so hoch, dass wir der Meinung sind, dass wir die Kontrollen in dieser Intensität nicht mehr lange durchhalten können. Deswegen muss man abwägen, wie man die Kontrollen ab Ende Mai oder Anfang/Mitte Juni gestaltet. Man muss schauen, inwieweit die Bundespolizei personell noch eingesetzt werden kann. Grundsätzlich gilt: Wenn mehr kontrolliert wird, sind mehr Aufgriffe festzustellen. Allerdings muss man auch imstande sein, diese Kontrollen durchzuhalten.


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Die Bereitschaft Ihrerseits ist aber nach wie vor vorhanden?

Ja. Wir unterstützen alle Maßnahmen, die zur Regulierung und zur Verhinderung unerlaubter Migration beitragen. Unser Job wird es immer sein, darauf zu achten, ob die Kolleginnen und Kollegen diesen Aufwand leisten können und wir nicht in eine dauerhafte Überlastung kommen. Die Bundespolizei ist in der Lage, über einen gewissen Zeitraum einen deutlichen Mehraufwand zu leisten. Das beweisen wir aktuell. Es muss jedoch ein absehbarer Zeitraum sein.

Wie lange kann die Bundespolizei das derzeitige Pensum denn noch durchhalten?

In der aktuellen Form sind wir sicher, dass wir es nur noch wenige Wochen durchhalten. Zumindest, wenn wir keine personelle Verstärkung aus anderen Bereichen hinzuziehen. Wie gesagt, eine solche Mehrbelastung samt genannter Einschnitte kann ich eine gewisse Weile durchhalten, aber dann ist der Punkt erreicht, an dem man den Beamten ihren zustehenden Freiraum zurückgeben muss. Auch wir unterliegen einer Arbeitszeit-Verordnung. Wenn dieser Punkt in wenigen Wochen erreicht ist, dann werden wir uns fragen müssen, ob die Intensität so hoch bleiben soll oder ob wir aus den Inlandsdienststellen [Bahnhöfe und Flughäfen] Personal nachziehen.

Bundespolizei trägt Asyl-Kurs „motiviert“ mit

Gab es seitens der Beamten schon Beschwerden bezüglich der hohen Strapazen?

Unsere Kolleginnen und Kollegen gehen diese Aufgabe mit hohem Engagement und hoher Motivation an. Die Bundespolizei ist es ja gewohnt, über einen gewissen Zeitraum über die Grenzen hinauszugehen. Deswegen ist die Situation im Moment noch sehr entspannt. Die Beamten sind auch mit der Aufgabe sehr einverstanden. Ich bleibe aber dabei, diese Intensität können wir nur einen gewissen Zeitraum durchhalten. Sobald Einschnitte im privaten Bereich drohen, wird es sehr schwierig.

Inwieweit muss die Politik der Bundespolizei entgegenkommen? Was erwarten Sie von der Regierung Merz? Muss es eine Rolle rückwärts in Sachen Asyl geben?

Wir erwarten, dass wir in einen Betrieb zurückkehren, der mittelfristig und langfristig durchhaltbar ist. Das heißt, wir müssen eine intelligente Lösung finden und müssen flexibler arbeiten, sodass wir mit weniger Personal größere Flächen abdecken können und jeder, der unerlaubt nach Deutschland kommen will oder schleust, damit rechnen muss, aufgegriffen zu werden. Außerdem müssen wir unmittelbar moderne Einsatzmittel anschaffen. Das betrifft vor allem die Drohnentechnik, Kennzeichenerfassungstechnik, moderne Fahndungsfahrzeuge und mobile Kontrollstellen. Wir erproben diese Mittel bereits seit 2018, bis jetzt wurde aber noch gar nichts angeschafft. Mit dieser Technik könnten wir dann auch Personal einsparen.

Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei Foto: Gewerkschaft der Polizei

Von einigen EU-Partnern, beispielsweise Polen, gibt es deutliche Kritik am deutschen Vorgehen. Die Stichworte sind hier Dublin- und Schengen-Abkommen. Bekommen die Beamten diese Ablehnung zu spüren?

Bisher tragen die Nachbarländer die Maßnahmen sehr gut mit. Wir hatten in Polen jetzt erst einmal die Situation, dass zwei Personen nicht angenommen wurden. Die grundsätzliche Frage ist allerdings, wie lange diese Akzeptanz bestehen bleibt. Aktuell haben wir kaum Beschwerden, in der Sache funktioniert es relativ gut.

Schärfere Kontrollen dürften Reiseverkehr nur geringfügig beeinflussen

Die intensiven Grenzkontrollen und das Verweigern von Asylgesuchen bringen doch bestimmt auch eine mentale und moralische Belastung für die Beamten mit sich, oder?

Es ist tatsächlich eine relativ entspannte Situation. Wir weisen die Menschen ja in sichere Drittstaaten zurück. Also in Länder, in denen ein Asyl- oder Schutzgesuch in ähnlicher Weise wie in Deutschland vollzogen werden kann. Deswegen gibt es bei den Zurückweisungen an den Binnenlandgrenzen Deutschlands sehr wenige emotionale oder einschneidende Momente.

Allmählich beginnt die Urlaubszeit. Auf welche Einschränkungen müssen sich die Reisenden einstellen?

Oberste Prämisse ist, neben den Kontrolltätigkeiten, die Aufrechterhaltung des fließenden Reise- und Warenverkehrs. Wir bekommen auch zurückgemeldet, dass das gut funktioniert. Man muss aber wissen, dass die Kontrollstellen mit Geschwindigkeitsreduzierung arbeiten, sodass die Kolleginnen und Kollegen eine Inaugenscheinnahme der Fahrzeuge vornehmen können. Unweigerlich wird es bei starkem Verkehrsaufkommen dann zu gewissen Rückstaus oder Beeinträchtigungen kommen. Das ist nicht vermeidbar. Dadurch, dass es keine Vollkontrollen sind, werden wir aber keine eklatant großen Staus oder Verzögerungen erleben.