Mit seiner jüngsten „Stadtbild“-Aussage hat Friedrich Merz viele junge Menschen mit einem familiären Migrationshintergrund verletzt. Im Netzwerk TikTok finden sich Clips, in denen Menschen der Generation Z emotional Stellung beziehen gegen ihren Kanzler, von dem sie sich ausgegrenzt fühlen.
Das ist der Hintergrund: In Bezug auf die Umfrageergebnisse der AfD verwies Merz in einer Pressekonferenz am Mittwoch darauf, dass man bei der Eindämmung der Migration nach Deutschland schon viel erreicht habe. Dann sagte er: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem.“ Deswegen werde Innenminister Dobrindt Rückführungen „im sehr großen Umfang“ durchführen.
„Dann legitimieren Sie genau die Sprache von Rechtsaußen“
Der Merz-Satz über das Stadtbild lässt Raum für Interpretationen, manche werfen dem CDU-Politiker sogar Rassismus vor. Andere halten Merz im Netz ein Zitat von Angela Merkel entgegen. Die Ex-Kanzlerin hatte mal gesagt: „Ich kann auf der Straße Menschen mit Migrationshintergrund, die deutsche Staatsbürger sind, und solche, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, nicht unterscheiden.“
TikTok-Nutzerin Phu, eine junge Frau mit einem familiären asiatischen Migrationshintergrund gehört genau zu jener Gruppe. Ihre Eltern kamen vor rund 35 Jahren nach Deutschland, haben für ihre Familie eine Zukunft hier aufgebaut. „Sie sind Bundeskanzler für alle Menschen in Deutschland. Das heißt, sie vertreten auch Deutsche mit Migrationsgeschichte. Aber auch Menschen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, aber in Deutschland leben.“
Die junge Frau empfinde seit einigen Jahren „immer mehr Angst“ in Deutschland. Sätze wie jene von Merz würden das Denken vieler Menschen prägen, Worte haben Macht. „Wenn Sie als Kanzler von Problemen im Stadtbild sprechen, dann legitimieren Sie genau die Sprache von sehr rechten und rechtsextremen Personen, die versuchen genau diese Sprache seit Jahren zu normalisieren.“ Sie wünscht sich von Merz mehr Bewusstsein und Sensibilität.
„Wisst ihr, was es heißt, wenn der eigene Kanzler jemanden nicht respektiert?“
Der Influencer Anwar wird in seinem Reaktionsclip auf TikTok sogar noch emotionaler: „Ihr könnt es verrückt nennen oder nicht, aber ich habe gerade wirklich wegen Merz geweint.“
Merz habe mit seiner „Stadtbild“-Aussage im Prinzip gesagt, dass es „zu viele Schwarzköpfe in den Straßen“ gebe. „Wisst ihr eigentlich was das bedeutet, wenn der eigene Bundeskanzler jemanden nicht respektiert?!“, fragt Anwar. Merz meine schließlich genau Menschen wie ihn, obwohl er in Deutschland geboren sei und die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Das mache ihn „sehr traurig“.
Der junge Mann sagt, dass er sowieso schon die Schwierigkeiten habe, in öffentlichen Räumen akzeptiert und respektiert zu werden. „Ich bekomme regelmäßig nicht mal ein ‚Hallo‘ an der Kasse“, nennt er ein Beispiel für den Alltagsrassismus. Das Gefühl der Ausgrenzung habe sich in den vergangenen Jahren noch mehr ausgeprägt durch den Rechtsruck. Merz befeuere das noch durch diesen Satz.
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Auch die TikTokerin Melane, die einen afrikanischen Migrationshintergrund hat, greift das Merz-Zitat auf. Sie postet ein Reel in dem Netzwerk mit der Nachricht: „Gut zu wissen, dass ich ein Problem fürs Stadtbild bin. Ich dachte bisher, ich wäre einfach nur eine schwarze Frau, Geisteswissenschaftlerin, Produzentin, Sängerin und Mensch wie jeder andere.“
Einige unter den Clips geben Merz dagegen recht
In den Kommentarbereichen unter den Clips gibt es vereinzelt aber auch gegenteilige Meinungen. „Ich als Türke bekomme immer einen Kulturschock, wenn ich in die Stadt gehe. Er hat recht“, schreibt beispielsweise ein junger Mann. „Mich als Ausländer stört das Stadtbild auch. Sage ich ganz ehrlich“, kommentiert eine Frau.




