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Die Thüringer AfD und der Analsex-Workshop

Die Thüringer AfD und der Analsex-Workshop

Analsex
Sexuelle Aufklärung über Verhütung beim Analverkehr ist auch heute noch wichtig, angesichts von Aids und anderen übertragbaren Krankheiten. Foto: imago

Die rechtskonservative AfD interessiert sich plötzlich für Analsex. Genauer gesagt für einen Workshop zu Analverkehr, der im Rahmen der Hirschfeld-Tage am 25. November in Erfurt stattfinden soll. Die Veranstaltungsreihe, die auch auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt stattfindet, beleuchtet von Anfang November bis Mitte Dezember verschiedene Themen rund um queere Lebensweisen. Gefördert werden die Veranstaltungen im Freistaat vom Thüringer Bildungsministerium. Schirmherr der Veranstaltungsreihe ist Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

AfD thematisiert Analsex-Workshop

Während für andere Parteien sexuelle Aufklärung eine Selbstverständlichkeit ist, kritisiert die AfD besonders den Workshop zu Analverkehr. In einem Eintrag auf Facebook schrieb der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Möller: „Rot-Rot-Grün fördert mit thüringischem Steuergeld aus dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit die Klärung der großen Fragen der Menschheit“. Dieser erste, noch relativ harmlos verfasste Beitrag wurde über 90 Mal geteilt und vielfach kommentiert.

Deutlich drastischer wurde dann der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke. Auf seiner Facebookseite teilte er eine Bildcollage, in der Bodo Ramelow an der Tafel steht, das Wort „Klassenfahrt“ durchgestrichen wurde und stattdessen „Analsex-Workshop“ steht. Der populistische Beitrag wurde bereits mehr als 1220 Mal geteilt. Unterschrieben wurde das bunte Bildchen mit folgendem Text: „Die Mittel für Klassenfahrten hat das Bildungsministerium bereits letztes Jahr um 40 Prozent reduziert und bürokratische Hürden aufgebaut, sodass nun immer mehr Schüler auf ihre Klassenfahrt verzichten müssen. Was Bodo Ramelow bei den Schülern einspart, gibt er an anderer Stelle wieder aus: Mit 34.872 Euro an Landesmitteln fördert er als Schirmherr die Hirschfeld-Tage, in deren Rahmen unter anderen ein Seminar mit dem Titel ‚Anal verkehren – ein Workshop‘ für die ‚Fortbildung‘ homosexueller Männer angeboten wird. Ganz ehrlich: Das ist Bildungspolitik für´n Arsch.“

An dieser Stelle hat Rechtspopulist Höcke kräftig übertrieben und es mit der Wahrheit nicht so genau genommen, denn der Workshop ist nicht nur für homosexuelle Männer, sondern für alle Menschen ab 18 Jahren, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Immerhin haben nicht nur schwule Männer Analsex, sondern auch sehr viele Frauen mit Männern. Laut einer Studie hat bereits die Hälfte aller Deutschen Erfahrungen mit Analverkehr gesammelt. Sexuelle Handlungen finden bei dem von Marco Kammholz organisierten Workshop laut Veranstaltern nicht statt. Der Workshop sollte eigentlich in diesem Jahr bereits an der Uni Köln stattfinden, wurde nach großen Diskussionen schließlich abgesagt.

Hirschfeld-Stiftung: Dahinter steckt Homosexuellenfeindlichkeit

Ministerpräsident Bodo Ramelow ist empört über die Äußerungen von Höcke. Auf Twitter teilt er einen Screenshot von einer Mitteilung des Thüringer Bildungsministeriums, in der es heißt, dass alle Klassenfahrten für das neue Schuljahr genehmigt und keine Zuschüsse für Klassenfahrten gekürzt worden seien.

Bei der Hirschfeld-Stiftung ist man über die Äußerungen des Thüringer Rechtsaußenpolitikers nicht überrascht. „Die bewusste Verdrehung von Fakten durch Herrn Höcke verwundert nicht: Die AfD versucht erneut, durch Provokation die moderne Vielfalts- und Sexualpädagogik zu diskreditieren. Dahinter steckt schlicht und ergreifend Homosexuellenfeindlichkeit“, sagt Jörg Litwinschuh von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die die Hirschfeld-Tage alle zwei Jahre zusammen mit regionalen Partnern veranstaltet, in einer Stellungnahme. „Der Workshop zum Tabuthema Analverkehr ist ein sexualpädagogischer, außerschulischer Workshop für Erwachsene, der im Rahmen der 3. Hirschfeld-Tage angeboten wird“, stellt Litwinschuh klar.

Sprache und Wissen über Sexualität und Körperlichkeit vermitteln

Die Hirschfeld-Tage stehen in der Tradition von Dr. Magnus Hirschfeld. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit war die Etablierung der Sexualwissenschaft in Europa und damit einhergehend die Emanzipierung von Menschen vielfältiger Begehrensformen. Auch heute noch sind hier viele Leerstellen, Fehlinformationen und Tabus zu finden. „Mit dem Angebot von Marco Kammholz ist ein professionelles, sexualpädagogisches Bildungsangebot in die 3. Hirschfeld-Tage aufgenommen worden, um eine Sprache und Wissen über Sexualität und Körperlichkeit zu vermitteln“, heißt es in der Mitteilung der Stiftung. Gerade diese seien unverzichtbare Grundlagen für eine selbstbestimmte, verantwortungsvolle und lustfreundliche Sexualität. So werde ein sicherer Umgang beim Sexualverkehr sowie Schutz und Aufklärung vor Krankheiten und Infektionen vermittelt, so die Stiftung.

Bei den Hirschfeld-Tagen in Thüringen hat der Verein „Queerweg“ die Organisation der Veranstaltungen übernommen. Neben dem Workshop zu Analverkehr gibt es unter anderen in Weimar eine Fotoausstellung zu Prostitution in Hamburg, einen Vortrag in Erfurt über „BDSM in der Gesellschaft“ und in Jena ein Konzert der queeren Kleinkunstreihe „Prinsessin Hans“. Eine erste Version des Programms gibt es hier.