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Bauern-Protest in Thüringen: Ampel als Feindbild? Landwirtin mit klaren Worten – „Hat keine Sau interessiert“

Die Ampel ist innerhalb der Bauern-Proteste auch in Thüringen das Feindbild Nummer 1. Eine Landwirtin hat zu diesem Thema klare Worte gefunden.

© IMAGO/Jacob Schröter

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Seit über zehn Jahren ist Thüringerin Gesine Langlotz im landwirtschaftlichen Berufsstand unterwegs. Erfahrung hat sie dabei mit Milchvieh und Wanderschäferei sammeln können. Jetzt ist sie angestellt im Obst- und Gemüsebau. Klar, dass sie die Bauern-Proteste verfolgt – und auch aktiv an ihnen teilnimmt.

Ihrer Meinung nach ist aber nicht nur die Ampel ursächlich für den massiven Bauern-Frust. Die Subventions-Streichungen waren laut Gesine Langlotz nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Proteste ein Ventil, um gerade in Ostdeutschland und damit auch in Thüringen Frust abzulassen und endlich ernstgenommen zu werden.

Bauern-Protest in Thüringen: Ampel-Feindbild verdeckt tiefgreifendes Problem

Gesine Langlotz ist Obst- und Gemüsebäuerin, sie kommt eigentlich aus Erfurt. Nebenbei ist sie auch noch politisch aktiv. Bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (ABL) engagiert sich die 29-Jährige. Gesine Langlotz lebt Landwirtschaft – und das seit der Schule. Sie steckt mitten in einer nicht-familiären Hof-Übernahme in Thüringen.

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Klar, dass sie die aktuellen Proteste verfolgt, an ihnen teilnimmt und eine Meinung hat. Eins steht für Gesine Langlotz fest: „Es wird jetzt immer die Ampel als Feindbild aufgemalt“, erzählt sie im Thüringen24-Gespräch. Und sie ergänzt: „Aber eigentlich verdeckt dieses Narrativ auch im Berufsstand total, was in den letzten 30 Jahren schief gelaufen ist. In Ostdeutschland ist das nochmal extra massiv.“

Was die 29-Jährige meint: Nicht die Ampel ist Auslöser der Proteste, die Subventions-Streichungen sind nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie spricht von Traumata, die gerade ostdeutschen Bauern noch immer in den Knochen sitzen würden. „Wir haben die großen Strukturen noch aus der DDR durch die Zwangskollektivierung und -enteignung. Und dann gab es in den 90er Jahren auch in Ostdeutschland eine krasse Privatisierungs-Welle auch und gerade im ländlichen Raum“, erklärt sie. „Es ist die Agrar-Politik der letzten 30 Jahre, die sich da entlädt.“

„Stehen mit dem Rücken zur Wand“

Dazu zählt sie noch Unsicherheiten über Förderrichtlinien auf, totale Abhängigkeit vom Lebensmitteleinzelhandel, wie Rewe, Aldi, Lidl und Co. „Alle Betriebe, die nicht großindustriell sind, stehen mit dem Rücken zur Wand“, macht Gesine deutlich. Die Kritik, die immer lauter wird: Wieso streiken Bauern dann nicht vor eben diesen Lebensmittel-Riesen? Stattdessen trifft es den kleinen Mann. Gesine wird deutlich: „2018/2019 haben Bauern die Lager von großen Supermarkt-Ketten blockiert. Es hat keine Sau interessiert. Da hat keiner drauf reagiert und das bricht sich jetzt Bahn.“

Jetzt werden die Bauern immerhin gehört. Ob sie das Verkehrs-Chaos gerechtfertigt findet, fragen wir sie. Gesine Langlotz findet schon. „Man muss die Proteste immer ins Verhältnis setzen. Einen bis drei Tage waren jetzt die Straßen dicht.“ Es gehe um Existenzen, für die Gesellschaft um Lebensmittel.

Trotzdem räumt sie auch Fehler der Regierung ein. Ihre erste Reaktion auf die Ampel-Pläne: „Ich war ehrlich entsetzt. Entsetzt darüber, wie wenig Wirkung die Diesel-Einsparung tatsächlich auf den Klima-Schutz hätte und sie trotzdem vorgeschlagen wurde.“ Denn eine bezahlbare Diesel-Alternative gebe es nicht. Auf einen Traktor können die Landwirte nicht verzichten. „Also wird weiter Diesel verbrannt – ob mit Subvention oder nicht“, so die 29-Jährige. Die Ampel-Pläne seien eine schnelle Möglichkeit gewesen, Geld einzusparen. „Aber wenn man Landschaft umbauen will, muss man gucken woher das Geld kommt. Man kann es nicht von den kleinen und mittleren Betrieben nehmen, die eh schon am Limit kratzen. Man muss gucken, dass man bei den Vermögenden anfängt.“

„Großinvestoren müssen weg vom Acker“

Die Regierung muss jetzt handeln, findet Gesine. Allerdings bleibt sie realistisch. Sie macht deutlich: „Von der jetzigen Regierung und der nächsten wünsche ich mir, dass der Bodenmarkt so reguliert wird, dass die Preise stabil bleiben, außerlandwirtschaftliche Investoren müssen weg vom Acker.“ Die 29-Jährige betont extra, dass sie weiß, dass die schlechte Agrar-Politik der letzten 30 Jahre nicht allein von der Ampel ausgebadet werden kann.


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Außerdem: „Die meisten Gewinnspannen müssen beim Urerzeuger landen und nicht beim Lebensmittelkonzern“, wünscht sie sich. Die Klima-Krise ist auch ihr wichtig. „Wir müssen außerdem gucken, wie wir die Landwirtschaft umbauen, so dass sie die Klima-Krise nicht weiter befeuert und sie auch mit den Veränderungen klarkommt.“ Finanziell beteiligt werden soll daran die Gesellschaft und nicht die Landwirte. „Das lohnt sich auch. Wenn wir das jetzt nicht machen, wird es später nur absurd viel teurer“, fügt sie hinzu.

Thüringerin mit klaren Worten zur AfD

Was sie besonders bitter findet: Die rechte Unterwanderung. „Wenn die (AfD) an der Macht sind, wird sich das (das die Gewinne an die Industrie/LEH gehen) auf keinen Fall verändern“, macht sie deutlich. Gerade die AfD nutze die Bewegung, um für sich Stimmung zu machen. Doch eigentlich wollen sie die Subventionen abschaffen, wie sie in ihrem Parteiprogramm schreiben.

Dazu beobachtete Gesine Langlotz eine für sie traurige Entwicklung: „Manche Bauern wollten nicht demonstrieren, weil sie Angst hatten, mit Rechtsextremen auf einer Demo stehen.“ Sie könne das verstehen, trotzdem würde sie anders handeln. „Ich gehe extra auf die Demo um dort zu zeigen, dass auch Abgrenzung dagegen stattfindet.“