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Thüringen: Ehemann soll „Kopf-Schuss-Mord“ in Auftrag gegeben haben – neuer Hinweis könnte alles entscheiden

20 Jahre später kann vielleicht endlich ein Mord aufgeklärt werden, der 2004 ganz Thüringen schockte. Ein neuer Hinweis könnte alles entscheiden.

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© picture alliance/dpa | Michael Reichel / Lara Hoffmann / Thüringen24 Redaktion

Mord oder Totschlag?

Das ist der juristische Unterschied

Vor 20 Jahren hat ein Mord ganz Thüringen erschüttert. Eine junge Frau war auf ihrem Weg zur Arbeit brutal getötet worden. Doch trotz ausgiebiger Ermittlungen, über 500 Zeugenbefragungen und Dutzenden von Spuren konnte die Polizei den Mord nicht aufklären.

Schließlich wurde der Fall zu den Akten gelegt. Doch 2020 kam neuer Wind in die Sache. Der Noch-Ehemann von Doreen S. soll Auftrags-Killer mit ihrem Tod beauftragt haben. Die vier Tatverdächtigen müssen sich seit Dezember am Landgericht Erfurt einer Mord-Anklage stellen. Jetzt könnte ein neuer Hinweis alles entscheiden.

Thüringen: Vier Kugeln treffen Doreen in den Kopf

Der Morgen am 16. Januar 2004 war noch keine fünf Stunden alt. Um ungefähr vier Uhr setzte sich Doreen S. in Schröten (Thüringen) in ihren grünen VW Beetle, um zur Arbeit zu fahren. Doch dort kam sie nicht an. Denn jemand lauerte der 34-jährigen Speditionskauffrau heimtückisch auf. Insgesamt sieben Kugeln trafen Doreen S. – vier in den Kopf und drei in den Oberkörper. Eine Stunde nach der Tat erlag die 34-Jährige im Krankenhaus schließlich ihren Verletzungen und starb. „Es sah aus wie eine Hinrichtung“, sagte 2004 einer der Ermittler gegenüber der „Welt“.

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Zunächst geriet Doreens damaliger Lebenspartner Matthias ins Visier der Ermittelnden, an ihm seien Schmauchspuren gefunden worden und er war Mitglied im Schützenverein. Doch der Verdacht erhärtete sich nicht und man ließ ihn wieder gehen. Ein weiterer Gedanke: Matthias war als Scheidungsanwalt tätig, hat sich vielleicht ein verärgerter Klient rächen wollen? Doch auch diese Spur verlief im Sande. 2006 wurde der Fall Doreen S. zu den Akten gelegt.

Neuer Hinweis lässt den Fall erneut aufrollen

Doch über zehn Jahre später, 2020, ging bei der Thüringer Polizei ein Hinweis ein. Ein Häftling berichtete davon, dass ein anderer Insasse ihm seine Beteiligung an dem Mord gestanden habe. Demnach habe Bernd S., Doreens Noch-Ehemann, drei Bekannte beauftragt, seine Verflossene zu töten. Der Grund: Bernd und Doreen S. steckten mitten in einem Scheidungsprozess. Bernd S. habe Sorge gehabt, dabei viel Geld zu verlieren. Daher habe er 30.000 Euro in die Hand genommen, um die Brüder Daniel und Marco B. sowie Daniel G. mit dem Mord zu beauftragen. Die 30.000 Euro soll er in Raten ausgezahlt haben. 500 Euro habe jeder von ihnen bekommen. Zusätzlich habe er einem der Angeklagten 2.500 Euro an Drogenschulden erlassen.

Daniel G. soll den Fluchtwagen gefahren haben, Daniel B. habe Schmiere gestanden und Marco G. soll abgedrückt haben. Seit März 2023 sitzen die vier in U-Haft, in verschiedenen Standorten, damit sie sich nicht absprechen können. Am 18. Dezember 2023 startete der Prozess am Landgericht Erfurt. Über 30 Verhandlungstermine sind angesetzt, in denen entschieden werden soll, ob die vier gemeinsam einen Mord durchgeführt haben und Bernd S. diesen beauftragt hat. Aber die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Doreen S. wurde heimtückisch ermordet. Das Motiv? Geld.

Neuer Hinweis könnte alles verändern

Am Freitag (1. Januar) hat in Erfurt der achte Verhandlungstag stattgefunden. Und dass das Wochenende bevorstand, war im Gerichtssaal des Landgerichts deutlich zu spüren. Einer der Strafverteidiger wird mit den Worten „Und bei dir ist heute Casual Friday oder was?“ von seinen Kollegen begrüßt – er taucht in heller Jeans und Pullover auf, bevor er seine Robe anzieht. Und auch in den Besucherrängen herrscht gähnende Leere, lediglich fünf Zuschauer sitzen verteilt auf den Stühlen. Ungewöhnlich, denn eigentlich sind die Verhandlungen um Bernd S. und die mutmaßlichen Auftrags-Killer laut einer regelmäßigen Zuschauerin voll besetzt.

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Bilder aus dem Mordprozess gegen die vier Verdächtigen. Foto: picture alliance/dpa

Das Geplänkel und Getuschel hört erst auf, als Polizeibeamten die vier Verdächtigen in den Saal führen. Alle tragen Handschellen, einer sogar Fußfesseln. Alles in allem wirken Bernd S., Daniel G., Marco G. und Daniel B. eher gelangweilt – was angesichts der Mord-Anklage überrascht.


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Mit etwa 15 Minuten Verspätung ging es dann ans Eingemachte. Der Richter verließt die Agenda für diesen Verhandlungstag. Es geht um eine rechtsmedizinische Untersuchung, die an einem der Verdächtigen durchgeführt wurde. Laut einem Hinweis habe Marco G. bei der Tat selber eine Kugel abbekommen – sie steckte ihm wohl in der Wade. Diese habe er eigenhändig entfernt und in einem Glas in seiner Schrankwand aufbewahrt. Der Rechtsmediziner hat daher das Bein des Angeklagten auf eine alte Schusswunde untersucht. Doch dann die ernüchternde Nachricht. Aufgrund eines kleinen Antrag-Fehlers könne man die Ergebnisse vor Gericht nicht verwenden.

Kurz vor dem Ende der Verhandlung ergreift der Staatsanwalt noch einmal das Wort. Der Ankläger hat den Hinweis erhalten, dass sich die Tatwaffe im Alperstedter See befinden soll. Dieser liegt nördlich von Erfurt, dem Wohnort des mutmaßlichen Schützen Marco G. Zwei Wochen haben sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung nun Zeit, diesem Hinweis nachzugehen. Doch sollte man wirklich die Tatwaffe, eine 9 Millimeter Walter P38 oder P5 finden, könnte sich das Blatt in dem Prozess ganz schnell wenden.