Ein winziges Stück Papier gibt in einem Thüringer Museum aktuell einen Hinweis auf eine über hundert Jahre alte Geschichte. Mit ihm rückt eine Kirche in der Geraer Innenstadt in den Fokus.
Neben ihr erlagen noch viele andere Thüringer Kirchen vor vielen Jahren dem gleichen Schicksal.
Kleines Stück Papier mit großer Geschichte
Ein nur wenige Zentimeter großes Metallstück bekommt in einem Thüringer Museum aktuell große Aufmerksamkeit. Grund dafür ist ein kleines Stück Papier, auf dem ein wichtiger Hinweis zu lesen ist: „Ein Stück Erz von der Mittleren Glocke des St. Salvatorturmes, die am Vormittag des 24. Juli 1917 zerschlagen worden ist“, steht auf dem Blatt.
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Damit ist sicher: Das nur vier Mal zwei Zentimeter große Erzstück stammt von der damaligen, über 1.000 Kilogramm schweren Kirchenglocke, so das Geraer Museum in einer Pressemitteilung. Sie ist nicht die Einzige, die man zu dieser Zeit abbaute. Allein in 45 Thüringer Ortschaften wurden 115 Kirchenglocken erfasst. 60 von ihnen wurden abgebaut, zertrümmert und eingeschmolzen.

Die Anordnung dafür gab am 1. März 1917 das Kriegsministerium, so das Geraer Museum. Jede Kirche sollte nur eine einzige Glocke behalten. Denn im gesamten Deutschen Reich wurden für den Krieg wichtige Materialien wie Kupfer, Messing, Bronze und Zinn immer knapper. Weshalb man schließlich sogar Bronzeglocken für den Krieg lieferte.
Viele Thüringer Kirchglocken im Ersten Weltkrieg abgebaut
„Die Kirchen in der Geraer Innenstadt traf es besonders hart“, so Matthias Wagner vom Stadtmuseum Gera. „Ihre oft erst nach dem Stadtbrand 1780 hergestellten Glocken waren nicht alt genug, um der Beschlagnahme zu entgehen.“ So auch die des St. Salvatorturmes im Geraer Stadtzentrum. Insgesamt hatte die Salvatorkirche vier Glocken. Die größte stammte von 1785, die mittlere von 1784, die kleine von 1818 und eine vierte Alarmglocke von 1782, so das Stadtmuseum. Erhalten blieb der Kirche nur die große Glocke. Die drei anderen wurden nach ihrer Abnahme noch vor Ort zerschlagen.
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Die Salvatorkirche war nicht die einzige Kirche in Thüringen, die an diesem Tag ihre Kirchenglocken verlor. Auch die Kirchenglocken an der Johanniskirche, nur wenige hundert Meter entfernt, wurden abgebaut. Ein letztes Mal zu hören waren sie beim Gottesdienst am 22. Juli 1917.

„Nach der Abnahme in den folgenden Tagen verblieb nur jeweils eine Glocke in den beiden Kirchen“, so Matthias Wagner. Im Dezember 1922 bekam die Kirche drei neue Glocken aus Stahl. Dafür musste man allerdings die bis dahin noch erhaltene Bronzeglocke verkaufen. Heute übrig ist davon nur noch ein kleines Stück, das nun im Geraer Stadtmuseum zu sehen ist.