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Thüringer Wolfs-Experte kritisiert Vorgehen der Politik gegen den Wolf

Ein Thüringer Wolfs-Experte richtet sich mit deutlicher Kritik an die Thüringer Landesregierung. In einer Hinsicht läuft es aus seiner Sicht schief.

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© IMAGO / Martin Wagner

Diese Raubtiere leben in deutschen Wäldern

Raubtiere gibt es nicht nur in den tiefen Wäldern Nordamerikas oder Kanadas. Auch in Deutschland leben Tiere, die zu Raubtieren gezählt werden.

Im Wahlkampf vor der Thüringer Landtagswahl 2024 war der Wolf mal wieder ein riesiges Thema – nach der jetzt bestätigten illegalen Tötung eines Tieres kocht das Thema erneut hoch. Zwischen Umweltverbänden und Tierschützern auf der einen und der Landesregierung auf der anderen Seite fliegen mitunter die Fetzen. Die Vorwürfe wiegen schwer. Die Gräben zwischen den Parteien werden immer tiefer.

Im Thüringen24-Gespräch wird Wolfsexperte Silvester Tamás vom NABU-Thüringen deutlich.

Thüringen: Wolfsexperte kritisiert Vorgehen der Politik

Viele Wölfte gibt es nicht in Thüringen – Experten schätzen die Anzahl auf etwa 20 – dennoch lösen die Raubtiere bei uns im Freistaat immer wieder heftige Diskussionen aus. Es geht um Sicherheit, Herdenschutz und immer wieder um die Frage: Brauchen wir den Wolf überhaupt für ein funktionierendes Öko-System?

Der NABU-Thüringen macht um seine Haltung in diesem Zusammenhang keinen Hehl. Für den Naturverband ist es ein ausgesprochener Glücksfall, dass sich der Wolf in unseren Wäldern wieder wohlzufühlen scheint. Die Tiere richten bei Nutztieren auch mal Schaden an, klar. Im Vergleich zu anderen Todesursachen bei Weidetieren ist dieser laut NABU-Recherchen aber verschwindend gering (HIER bekommst du mehr Infos).

„Dann wird behauptet, Herdenschutz sei nicht möglich.“

Aus Sicht der Naturschützer lassen sich Rissschäden mit dem richtigen Weidenschutz fast vollständig vermeiden. „Ich habe mir Weiden angeguckt von einigen betroffenen Schäfern“, erinnert sich Tamás. „Dann sieht man eine Situation dort, die die Übergriffe recht schnell erklärt: da stehen zum Beispiel Holzlattenstapel vor dem Zaun, da können alle Tiere drüber springen, laut Rissstatistik des Umweltministeriums also kein optimaler Herdenschutz“, macht der Naturschützer seinem Ärger Luft. „Mittlerweile werden Maßnahmen für die Verbesserung des Herdenschutzes bis zu hundert Prozent gefördert. Hiervon können die Weidetierhalter Gebrauch machen und sollten es auch tun. Hier braucht es aber mehr proaktive Beratung vor allem für die kleineren privaten Weidetierhalter.“

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Er vermutet hinter der teils politisch geführten Debatte auch ein gewisses Kalkül. „Wir sehen, dass bestimmte Parteien besonders viel Unsachlichkeit in die Diskussion bringen und auch mit teils unwahren Behauptungen arbeiten“, meint Tamás. „Es geht im Grunde genommen aktuell schon darum, bestimmte Gebiete als wolfsfrei zu deklarieren, was völlig absurd ist.“

„Wenn man dann als Verantwortlicher der zuständigen Fachbehörde behauptet, dass man keinen Strom auf die Zäune kriegen würde und deswegen der Wolfsschutz nicht möglich sei, ist das alles andere als verantwortungsvolle Politik. Mit den technischen Möglichkeiten wie Weidezaunnetzgeräten und Zäunen kriegen sie heutzutage Weiden mit mehreren Kilometern Zäunen hinreichend geschützt.“

Silvester Tamás, NABU-Thüringen

„Klima der Verunsicherung“

Der NABU-Thüringen würde sich dem klar entgegenstellen. „Wir sehen, wohin das führt. Wir haben zwei Luchse verloren, illegal abgeschossen. Das schafft ein Klima der Verunsicherung, der Befürwortung, vielleicht auch der stillen Zustimmung“, so der Wolf-Experte. „Dann passieren solche Sachen mit Wölfen natürlich auch.“


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Selbstverständlich – und das betont Tamás ganz deutlich – sind nicht einzelne Politiker persönlich dafür verantwortlich, wenn Tiere illegal in Thüringen geschossen werden. Aus der Sicht des NABU-Thüringen ist die illegale Bejagung des Wolfes aber deutschlandweit kein Einzelfall mehr. „Das weiß ich nicht, ob sich das eine Gesellschaft gefallen lassen muss“, findet er. „Das ist ja auch verboten. Und deswegen haben wir auch Strafanzeige gestellt.

Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version des Artikels wurde berichtigt.