In Thüringen wächst die Sorge um das Verhalten der Wölfe. Immer wieder gibt es Hinweise darauf, dass die Tiere im Thüringer Wald ihre natürliche Scheu vor Menschen verlieren. Zwei Vorfälle in Südthüringen sorgen jetzt für besondere Aufmerksamkeit. Spaziergänger und Forstmitarbeiter berichten von Begegnungen, die ungewöhnlich nah und bedrohlich verliefen.
Die zuständigen Behörden nehmen die Situation ernst. Das Umweltministerium in Erfurt bestätigt laut MDR, dass das Kompetenzzentrum Wolf Biber Luchs (KWBL) mehrere Meldungen erhalten aus den Regionen rund um Frauenwald und Neuhaus am Rennweg erhalten habe. Dort seien Wölfe in einer Weise aufgetreten, die Anlass zur Sorge gibt.
Kuriose Begegnungen im Thüringer Wald
Nach Informationen vom MDR kam es hier zu zwei Zwischenfällen. Ein Revierleiter berichtete, dass ihn fünf Wölfe im Wald überrascht hätten. Die Tiere folgten ihm in einem Abstand von rund 50 Metern bis zu seinem Fahrzeug und stellten sich vor ihn.
+++ Thüringen will durchgreifen! Doch der Wolf ist nicht das Problem +++
Ein weiterer Fall ereignete sich wenige Tage später. Ein Wanderer traf mit seinen zwei Hunden auf vier Wölfe. Zwei von ihnen knurrten ihn an und bewegten sich auf ihn zu. „Erst sieben Meter vor ihm stoppten die Wölfe, weil er einen mit dem Stein auf die Schnauze getroffen hatte“, schreibt der MDR.
Fehlender Leitwolf als Ursache?
Ein Sprecher des Thüringer Umweltministeriums erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Es gibt dort offenbar Tiere, die nicht so scheu sind, wie sie sollten.“ Eine mögliche Erklärung liege im Rudel selbst. Anfang September sei der Leitwolf des Gebiets illegal beschossen und anschließend eingeschläfert worden. Laut Ministerium sei das Tier genetisch eindeutig als erwachsener Leitwolf nachgewiesen worden.
+++ Thüringer Gnadenhof droht der Kollaps – „Ist eine große Aufgabe“ +++
Der Thüringer Jagdverband zweifelt an dieser Theorie, denn das Ministerium habe zunächst von einem „jungen Wolf“ gesprochen. Der Verband fordert daher eine neutrale Monitoringstelle. Außerdem solle der Wolf ins Bundesjagdgesetz aufgenommen werden, damit auffällige Tiere bejagt werden können.
Das Umweltministerium wies die Kritik zurück. Der beschossene Wolf sei aufgrund seines stark abgemagerten Zustands zunächst für ein Jungtier gehalten worden. Nach der genetischen Untersuchung habe sich jedoch herausgestellt, dass es sich um den Leitrüden des Rudels von Neustadt am Rennsteig handelte. „Der Rüde und die Fähe des Rudels waren aufgrund genetischer Nachweise bei Nutztierrissen bereits bekannt“, so die Behörde.
Der NABU warnt vor der Jagd auf Wölfe.
Auch der NABU Thüringen verfolgt die Theorie des fehlenden Leitwolfs und fordert einen sachlichen Umgang. Sprecher Silvester Tamás erklärt: „Aus dem Rudel, das dort in der Gegend unterwegs ist, wurde jüngst sehr wahrscheinlich der Leitwolf illegal erschossen. Da ist es nicht auszuschließen, dass sich das Wolfsrudel nun in einer Ausnahmesituation befindet und entsprechend angespannt reagiert.“ Er betont: „Wölfe sind hochsoziale Tiere. Fällt zum Beispiel ein führendes Tier, wie der Leitwolf, aus, kann die Existenz des ganzen Rudels in Gefahr sein.“
Der Verband warnt davor, dass eine Jagd auf Wölfe die Probleme verschärfen könne. „Die Tiere gehen dann auch Risiken ein, um zu überleben. Sie werden sichtbarer, nähern sich Siedlungen oder Menschen häufiger oder greifen sogar gut geschützte Weidetiere an. Deshalb ist die Jagd auf Wölfe auch so gefährlich für Menschen und Weidetiere“, so Tamás.
Mehr News:
Das Thüringer Umweltministerium hat angekündigt, die Arbeitsgruppe Wolf einzubeziehen. Vertreter aus Landnutzung und Naturschutz sollen gemeinsam Lösungen entwickeln. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Maßnahmen greifen.




