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Aus der Zeit gefallen? Fast vergessene Handwerkskunst in Thüringen

Aus der Zeit gefallen? Fast vergessene Handwerkskunst in Thüringen

Schirmmacher in Weimar
Der Laden von Schirmmacherin Anneliese Pennewitz in Weimar. Foto: Candy Welz/dpa

Modisten, Buchbinder, Schirmmacher – es gibt Handwerksberufe, die in Vergessenheit geraten sind. Einige sind durchaus erfolgreich, andere kämpfen um das Überleben. Welchen Platz nehmen Berufe wie der Schirmmacher heute noch ein?

Reich verziert, der Griff aus Elfenbein, die Stoffe handgenäht: Im Geschäft von Anneliese Pennewitz lebt die Zeit auf, als der Schirm noch zur Garderobe passen musste. Eine Zeit, in der „der Schirm noch der Himmel auf Erden war“, wie Pennewitz sagt. Die Schirmmachermeisterin aus Weimar betreibt im ersten Stock ihres Geschäfts ein Museum mit antiken Schirmen. Vor allem aber fertigt sie noch bis zu 200 alltagstaugliche Schirme im Jahr selbst an. Dazu kommen Reparaturen und ausgewählte Handelsware aus Italien und Österreich.

Bildergalerie: Wie in alten Zeiten: Schirmmacherin in Weimar

Vom Drei-Euro-Wegwerfartikel aus dem Drogeriemarkt sind die Arbeiten Pennewitz‘ weit entfernt: Ob aufwendig doppellagig genäht, so dass die Drähte zwischen den Stoffschichten verschwinden oder als Kombination aus Gehstock und Regenschirm – die Schirmmacher zeigen ihr Können und gehören zu einem seltenen, aussterbenden Handwerk. Eine Nachfolgerin wird Pennewitz nicht haben; seit 1998 ist die Ausbildung in diesem Gewerk bundesweit eingestellt.

Tag des Handwerks

Auch die seltenen Sparten des Handwerks spielen eine Rolle, wenn am Samstag in Thüringen und deutschlandweit der Tag des Handwerks begangen wird. In Thüringen arbeiten fast 31 000 Handwerksbetriebe mit über 150 000 Beschäftigten. Berufe wie Fliesenleger, Kraftfahrzeug- oder Elektrotechniker stellen einen Großteil der Beschäftigten. Bei den seltenen Gewerken liegt die Zahl deutlich darunter, einige sind aber sehr erfolgreich.

So gingen im vergangenen Jahr noch 51 Schuhmacher in Thüringen ihrem Handwerk nach. Sie erfreuen sich an der Nachfrage nach hochwertigen Modellen. Ebenso verhält es sich mit Instrumentenbauern. Die 591 bundesweiten Geigenbauer, davon sind fünf in Thüringen ansässig, profitieren von der Begeisterung für klassische europäische Musik insbesondere in Japan und Südkorea, indem sie Lehrlinge aus Fernost beschäftigen. Den 36 Buchbindern in Thüringen hingegen verhalf ein eigentlich unglückliches Ereignis zu mehr Aufträgen: Nach dem Brand in der Weimarer Anna Amalia-Bibliothek war ihre Arbeit wieder gefragt.

Bundesweit noch 13 verbliebenen Schirmmacher

Die bundesweit noch 13 verbliebenen Schirmmacher müssen um ihre Aufträge kämpfen, wie Schirmmachermeister Willy Schüffler aus Essen erklärt: „Wir wollen hin zu einem Produkt, das den Kunden ein Leben lang begleitet. Doch Billigware dominiere den Markt. „99 Prozent wird in China produziert“, sagt Schüffler. Der Schirmmachermeister beschäftigte in den besten Zeiten des Betriebs 30 Mitarbeiter, heute arbeiten sie zu fünft im Laden.

Auch Anneliese Pennewitz hatte einst acht Mitarbeiter, heute hilft nur noch dienstagvormittags eine Verkäuferin aus. Pennewitz wird irgendwann ihren Laden schließen müssen.