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Abseits vom Analsex-Workshop: Worum es bei den Hirschfeld-Tagen geht

Abseits vom Analsex-Workshop: Worum es bei den Hirschfeld-Tagen geht

Hirschfeld-Tage
Edgar Kitter (AIDS-Hilfe Weimar und Ostthüringen), Benjamin-Immanuel Hoff (Thüringer Kulturminister), Jenny Renner (Lesben- und Schwulenverband Thüringen), Jörg Litwinschuh (Vorstand der Bundesstiftung Magnuns Hirschfeld) und Matthias Gothe (Vielfalt Leben - Verein QueerWeg) stellten in der Thüringer Staatskanzlei gemeinsam das Programm der Hirschfeld-Tage 2016 vor.

Etwa zwei Wochen ist es her, dass die Thüringer AfD mit ihrer Kritik an einem Analsex-Workshop für Wirbel sorgte, der im Rahmen der Hirschfeld Tage 2016 in Erfurt stattfinden soll. Der Vorwurf von Björn Höcke: Ministerpräsident Bodo Ramelow fördere die Fortbildung homosexueller Männer und streiche dafür bei Klassenfahrten. Worum es bei den Hirschfeld Tagen tatsächlich geht, haben die Organisatoren am Mittwoch in Erfurt erklärt.

Ob beim Bäcker oder in der Volkshochschule – wer in den nächsten Tagen in Erfurt, Weimar, Jena und weiteren Thüringer Städten unterwegs ist, kann die bunten Vorzeichen entdecken, die die Hirschfeld-Tage vorauswerfen. Postkarten mit dem Motto „Wir leben die Vielfalt“ werden dann verteilt und sollen neugierig auf die Veranstaltungsreihe machen. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass vier für die lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, trans- und intergeschlechtliche, queere Community (LSBTTIQ) bedeutende Personen aus Mitteldeutschland stammen“, erklärt Jörg Litwinschuh, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Der Einstein des Sex

Einer dieser Personen ist Magnus Hirschfeld selbst, der seine Weltkarriere als Arzt und Sexualforscher 1894 in Magdeburg begann. In Filmen und Dokumentationen wird er auch als „Einstein des Sex“ bezeichnet. Hirschfeld gilt außerdem als Mitbegründer der ersten deutschen Homosexuellenbewegung und gibt heute einer Stiftung seinen Namen, die sich gegen die Diskriminierung von LSBTTIQ-Personen einsetzt.

Zu diesem Zweck finden alle zwei Jahre die Hirschfeld-Tage in verschiedenen Regionen Deutschlands statt. Nach Berlin und Nordrhein-Westfalen sind 2016 Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als gemeinsamer Veranstaltungsort an der Reihe. Mehr als 110 Veranstaltungen rund um die Themen Geschlecht, Sexualität, Lebens- und Liebesweisen finden in den drei Bundesländern vom 15. Oktober bis zum 19. Dezember statt, 33 davon in Thüringen.

Diskriminierung – noch immer ein Thema?

Auch wenn die Umstände heute zu vielen Teilen anders sind als zu Hirschfelds Zeiten, hat seine Arbeit noch nicht an Aktualität verloren, wie Jörg Litwinschuh weiß: „Wenn man sich anschaut, wie heute Rechtspopulisten versuchen, die Vielfaltspädagogik und unsere Anti-Diskriminierungsarbeit zu diskreditieren, kann man zwischen Texten aus der Weimarer Zeit und heute fast Parallelen ziehen.“

Mit Blick auf den Angriff der AfD, macht auch Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (linke) deutlich, wie relevant die Hirschfeld-Tage mit ihrer Botschaft „L(i)ebe die Vielfalt“ sind: „Offen darüber sprechen, was es gibt, wie man sich dazu verhalten kann, was mein eigener Körper ist und wie ich definiere, was ich möchte und was nicht, kann man nur, wenn der Raum dafür da ist und man nicht mit Diskriminierung und Vorurteilen rechnen muss.“

Festakt im Theater Erfurt

Das Programm der Hirschfeld-Tage wirft einen Blick in die Geschichte, aber auch der Schutz der eigenen Gesundheit im Sexualleben steht im Fokus. So beschäftigt sich eine Veranstaltung damit, wie Lesben ins Visier der Stasi gerieten, während es bei einem anderen Workshop um die Themen HIV und Party-Drogen in der Schwulenszene geht. Auch Tabus werden angesprochen, wie etwa bei der Ausstellung „Halbe Stunde“ in Weimar, die hinter die Fassade der Prostitution schaut.

Willkommen sind bei der Veranstaltungsreihe nicht nur Gäste aus der LSBTTIQ-Community, auch alle anderen sind zu Begegnungen und Gesprächen eingeladen. Eine gute Gelegenheit könnte zum Beispiel der Festakt am 5. November im Erfurter Theater sein, bei dem Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) neben anderen Schirmherren die Hirschfeld-Tage 2016 offiziell eröffnet.

Das Programm in der Übersicht

  • 22.10.2016, 15 Uhr: Führung durch das Prager Haus in Apolda, (Bernhard-Prager-Gasse 8, Apolda)
  • 22.10.2016, 16 Uhr: Vortrag „Ein unwillkommenes Geschenk“, Prager Haus (Bernhard-Prager-Gasse 8, Apolda)
  • 02.11.2016, 13 Uhr: Vortrag und Diskussion „Wie können wir die Gesundheit lesbischer, bisexueller & queerer Frauen fördern?“, Haus Dacheröden (Anger 37, Erfurt)
  • 04.11.2016, 18 Uhr: Vortrag „Black Queer Musik“, M18 (Marienstraße 18, Weimar)
  • 04.11.2016: Vortrag und Diskussion „Polyfantastisch?“, Wasserturm (Ladestraße 2, Eisenberg)
  • 10.11.2016, 18 Uhr: Vortrag „BDSM in der Gesellschaft“, Ort wird noch bekannt gegeben
  • 10.11.2016, 18.Uhr: Queere Kleinkunstreihe „Sunna Huygen“, Kulturbahnhof (Spitzweidenweg 28, Jena)
  • 11.11.2016, 18 Uhr: Vortrag und Diskussion „Der rosa Dolchstoß – Schwuler Maskulinismus“, Paradies-Café (Vor dem Neutor 5, Jena)
  • 11.11.2016, 19 Uhr: Vortrag „Hilde Radusch – ein Kind der Stadt Weimar“, Gewölbekeller der Stadtbücherei (Steubenstraße 1, Weimar)
  • 11.11.- 07.12.2016: Ausstellung „Halbe Stunde“, C-Keller Weimar (Markt 21, Weimar)
  • 25.11.2016, 17 Uhr: Workshop „Standortbestimmung einer Sexualpädagogik der Vielfalt“, GEW-Thüringen (Heinrich-Mann-Straße 22, Erfurt)
  • 25.11.2016, 20 Uhr: „Anal verkehren – Ein sexualpädagogischer Workshop“, Erfurt (genauere Infos bei Anmeldung)
  • 25.11.2016, 18 Uhr: Vortrag „Von der profeministischen Männerbewegung zur antifeministischen Männerrechtsbewegung“, L50 (Lassallestraße 50, Erfurt)
  • 02. – 23.12. 2016: Ausstellung „gemeinsam.naehe.naehen“, Galerie ICONOTOP (Herderplatz 12, Weimar)
  • 03.12.2016, 15 Uhr: Audio-Walk „Queertopia“, Treffpunkt: Historischer Friedhof Weimar (Am Poseckschen Garten)
  • 06.12.2016, 20 Uhr: Queere Kleinkunstreihe „Princessin Hans – live“, Café Wagner (Wagnergasse 26, Jena)

Mehr Informationen zu dem Festakt und dem Thüringer Programm der Hirschfeld-Tage gibt es auf der Homepage der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.