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Thüringen: Wagenknecht-Partei sagt AfD den Kampf an: „Wähler kriegen eine seriöse Adresse“

Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht sich vor den Wahlen in Thüringen im Aufwind. Ein Top-Kandidat erklärt jetzt, wieso.

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© IMAGO / Future Image

BSW: Darum sind die Mitglieder in die Wagenknecht-Partei eingetreten

Auf dem ersten Parteitag des "Bündnis Sahra Wagenknecht" sprachen die Delegierten über ihre Gründe, in die Partei einzutreten.

Am 1. September 2024 wird in Thüringen der neue Landtag gewählt. Laut einer Forsa-Umfrage liegt die AfD in Thüringen ähnlich wie in den anderen neuen Bundesländern mit etwa 36 Prozent vorne, weit vor der zweitstärksten Kraft der CDU. Doch neben den Ampel-Parteien, der CDU und den Linken ist nun eine neue Partei auf den Plan getreten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – die neue Partei der Ex-Linken-Politikerin.

Auf dem ersten bundesweiten Parteitag des BSW in Berlin spricht unsere Redaktion mit Thomas Geisel. Er ist Ex-Oberbürgermeister von Düsseldorf und frisch gebackenes BSW-Mitglied. Für das Bündnis soll er sogar als Spitzenkandidat für das Europaparlament kandidieren. Er zeigt sich zuversichtlich im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in Thüringen.

Thüringen: BSW mit Aufbruchsstimmung

Die Stimmung auf dem Parteitag sei ausgezeichnet, so Geisel. „Grandios war vor allem die Rede von Sahra Wagenknecht. Sie hat die Begabung, mitreißend zu reden und trotzdem etwas Substantielles zu sagen.“ Geisel erhoffe sich, dass viele Menschen den Parteitag verfolgt haben. Das, denkt er, würde das BSW in den Umfragen noch weiter nach vorne katapultieren. „Wir liegen schon ganz gut in den Umfragen. Und wir haben uns ja gerade erst gegründet.“

Das könnte mit der allgemeinen Aufbruchstimmung gelingen, die unter den BSW-Mitgliedern herrscht, berichtet Geisel. Bei seiner ehemaligen Partei, der SPD, könne er sich so etwas nicht vorstellen. Deswegen könne man bei den kommenden Wahlen vor allem in den östlichen Bundesländern auch mehr Wähler erreichen als die Sozialdemokraten. „In den neuen Ländern gibt es viele Menschen, die enttäuscht und verärgert sind und die Hoffnung verloren haben. Die wenden sich dann ab und viele wählen Protest. Ein erheblicher Teil der Umfragewerte der AfD bildet sich aus solchen Leuten.“

„Wenn diese eine seriöse Adresse kriegen, eine, die nicht nur populistisch Ressentiments bedient und draufhaut, sondern die Politik mit Vernunft und für Gerechtigkeit macht, sind wir für diese Menschen viel attraktiver als die AfD.“

Thomas Geisel

Eine Entwicklung, die ihm Sorgen mache, sei nicht nur, dass immer mehr Menschen AfD wählen, sondern auch, dass immer mehr Menschen gar nicht wählen. „AfD-Wähler und Nichtwähler zusammengerechnet ergeben bereits jetzt in vielen Ländern eine Mehrheit. Das bedeutet ja nicht, dass die jetzt alle rechtsradikal, Nazis oder völkisch geworden sind, sondern, dass sie wütend und verzweifelt sind.“ Diese Menschen sähen, dass das Land in den letzten 20 Jahren nicht vorangekommen sei, erklärt Geisel.

Macht das BSW die AfD überflüssig?

Auch seine Ex-Partei, die SPD, mache den Fehler, nicht vermittelnd in den Ukraine-Krieg einzugreifen. Das könnte sie durchaus in ihrer Rolle in der Bundesregierung, so Geisel. Dafür müsse es auch eine stärkere Kooperation in der EU geben. „Gerhard Schröder und Jacques Chirac haben damals dafür gesorgt, dass sich die EU am Irak-Krieg nicht beteiligt.“ Die Achse Paris-Berlin bestehe unter der gegenwärtigen SPD-Regierung leider nicht mehr, erklärt Geisel. Und weiter: „Ich sehe nicht, dass Olaf Scholz sich da ernsthaft bemüht. Würden Frankreich und Deutschland eng zusammenarbeiten, könnten wir großen Einfluss nehmen, dass dieser Konflikt auf die Verhandlungswege beendet wird.“

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Thomas Geisel sieht die neue Partei von Sahra Wagenknecht vor den Wahlen in Thüringen im Aufwind. Foto: IMAGO / Future Image

Für die vermittelnde Rolle der EU im Ukraine-Krieg, würde sich Geisel, der einer der BSW-Spitzenkandidaten für die Europawahl ist, einsetzen. „Es geht nicht an, dass im Moment Herr Erdogan und seine Türkei als Vermittler mehr gefragt ist, als Frankreich und Deutschland.“

„Da fragen sich die Menschen zurecht, ob die Rahmenbedingungen stimmen“

Ein weiterer Fehler der Ampel-Regierung sei die Beschäftigung mit Themen, bei denen sich die Bürger fragen würden, ob es wirklich die Themen sind, die Deutschland voranbringen. Als Beispiel nennt Geisel die Legalisierung von Cannabis, die Selbstbestimmung der sexuellen Identität und die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibung. „Für diese Punkte gibt es ja Argumente, aber wenn sich ein Land in dem Zustand befindet, wie es Deutschland gerade tut, dann fragen sich die Leute zurecht, ob das wirklich die Themen sind, die ganz oben auf die politische Tagesordnung gehören, die sie wirtschaftlich voranbringen und den sozialen Zusammenhalt stärken.“


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Die Themensetzung stimme einfach nicht, so Geisel. „Das Bürgergeld ist im Grundsatz vernünftig. Aber in Zeiten von Arbeitskräftemangel, wenn also jeder gebraucht wird, ist es vor allem wichtig, Arbeit attraktiv zu machen. Und diese hätte man dadurch geschafft, dass der Mindestlohn mindestens genauso stark, am besten sogar stärker ansteigt als das Bürgergeld. Gelaufen ist es umgekehrt. Da fragen sich die Menschen zurecht, ob die Rahmenbedingungen stimmen, die die Regierung setzt.“