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Erfurt: Aufruhr nach Ballstädt-Urteil – „Schlag ins Gesicht“

Erfurt: Aufruhr nach Ballstädt-Urteil – „Schlag ins Gesicht“

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Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Erfurt. 

Das Urteil am Landgericht Erfurt ist gefallen: Wegen des brutalen Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt hat die Richterin etliche Haftstrafen zur Bewährung verhängt.

Ein Urteil, das jetzt in und um Erfurt hohe Wellen schlägt. Politiker finden deutliche Worte.

Erfurt: Heftige Reaktionen auf Ballstädt-Urteil

Das war im Februar 2014 in Ballstädt passiert: Laut Gericht haben die Verurteilten eine friedliche feiernde Kirmesgesellschaft brutal überfallen. Sie werden der rechtsextremen Szene zugeordnet und hatten ihre Beteiligung an der Tat im Laufe des Prozesses gestanden.

Die Angeklagten hätten sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, sagte die Vorsitzende Richterin der zuständigen Kammer am Montag. Sieben der elf Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen in Höhe von einem Jahr, der Hauptangeklagte und ein weiterer Mitstreiter erhielten Bewährungsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten.

Das Verfahren gegen zwei der Angeklagten war gegen Geldauflagen in Höhe von 6000 Euro beziehungsweise 3000 Euro eingestellt worden, während der Prozess noch lief.

Erfurt: Politiker werden deutlich

Viele Politiker aus der Region reagierten nach dem Urteil mit Unverständnis. „Auf diesen Staat, auf diese Justiz ist im Kampf gegen Rechts kein Verlass“, sagte Katharina König-Preuss, Linken-Abgeordnete und Sprecherin für Antifaschismus der Linken.

„Während militante Neonazis jubeln, stellt das Urteil für Betroffene und solidarische Unterstützer*innen einen Schlag ins Gesicht dar. Dies wäre verhinderbar gewesen.“

Das gesamte Verfahren sei kein „Ruhmesblatt“ für die Justiz. „Wenn der Sinn des Strafrechts auch darin besteht, Täter und Nachahmer von der Begehung weiterer Taten abzuschrecken werden und das Vertrauen der Gesellschaft in die Durchsetzungskraft des Rechtssystems zu stärken, dann wird nach dem heutigen Tag niemand konstatieren können, dass genau dies im Ballstädt-Verfahren gelungen ist.“

Das fordert die Linken-Politikerin

Sie fordert eine allgemeine Anweisung des Justizministeriums, damit keine Deals von Staatsanwaltschaften mit Neonazi-Gewalttätern stattfinden. Absprachen sollen zudem nicht ohne explizites Einverständnis von Nebenkläger als Verfahrensbeteiligte getroffen werden.

Auch Dorothea Marx (SPD), Vizepräsidentin des Thüringer Landtags, fordert eine Zustimmung der Nebenkläger. „Bei Anschlägen wie diesen ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Wir setzen uns deshalb auf Bundesebene dafür ein, die Strafprozessordnung dahingehend zu ändern, dass bei Straftaten gegen Leib und Leben und bei Sexualstraftaten sogenannte ‚Deals‘ künftig nur noch möglich sein sollen, wenn Nebenkläger:innen ihnen zustimmen.“

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Auch Denny Möller (SPD) zeigt sich mit der Rechtsprechung unzufrieden. „Die Bewährungsstrafen für die Täter im Ballstädt-Prozess senden ein verheerendes Signal. Wer sich für Demokratie und Vielfalt engagiert, muss damit rechnen, dass gewalttätige Übergriffe von Rechts mit Geld- und Bewährungsstrafen abgegolten werden können.“

Was juristisch „vielleicht“ korrekt sei, habe eine „katastrophale“ Signalwirkung für die Gesellschaft. „Es ist für unsere Demokratie unerlässlich, dass sich jeder und jede sicher gegen Rechts engagieren kann. Allen Opfern rechter Gewalt gilt unsere uneingeschränkte Solidarität!“ (vh)